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Archive for November 2014

Bestandsentwicklung des Ziesel-Vorkommens nördlich des Wiener Heeresspitals seit 2011

Zur Ziesel-Population nördlich des Wiener Heeresspitals liegen neue offizielle Zahlen vor. Demnach ist der Bestand gegenüber dem Vorjahr um enorme 41 Prozent angewachsen. Unverändert ist weiterhin nahezu das gesamte Areal von den bedrohten Nagern besiedelt.

Trotz dieser sehr erfreulichen Entwicklung, besteht, angesichts des scharfen Gegenwinds, weiterhin massiv Grund zur Sorge. Denn schon 2015 sollen erste Bauprojekte im derzeitigen Habitat der streng geschützten Tierart starten.

Weder die Wiener Behörden, noch die involvierten Bauträger nehmen zur Kenntnis, dass die Absiedlung der Ziesel auf sogenannte Ausgleichsflächen ein völliger Fehlschlag ist. Beharrlich vermitteln sie weiter das Bild, wonach die Umlenkung erfolgreich verlaufe und erste Teilflächen bereits „zieselfrei“ wären. Der aktuelle ökologische Bericht der Bauträger an die MA 22 belegt allerdings, dass die Realität im krassen Widerspruch zu den ventilierten Wunschvorstellungen steht.

Umweltstadträtin Sima reagiert auf Besitzstörung durch Bauträger

Auch auf der juristischen Front läuft es für die Bauträger nicht gut. Eine Verurteilung in erster Instanz wegen Besitzstörung ist mittlerweile rechtskräftig (Bezirksgericht Wien 21, Aktenzahl 28 C 712/14f – 6). Wie berichtet, liegt den Projektbetreibern zur Nutzung einer der eingereichten Ausgleichsflächen nicht das Einverständnis aller Grundeigentümer vor.

Dies veranlasste die zuständige, in der Ziesel-Causa jedoch befremdlich schweigsame, Stadträtin Ulli Sima zu einer bemerkenswerten Feststellung:

„Wenn er keine Ausgleichsflächen hat, wo die Ziesel hinwandern können, dann wird es keine Möglichkeit geben zu bauen, weil die Bescheidauflagen nicht erfüllt sind“.

Folgt man ihrer Aussage, müsste damit das Bauprojekt beim Heeresspital endgültig gestorben sein. Ob Simas klare Worte tatsächlich das nötige Gewicht haben, muss sich allerdings erst zeigen.

MA22 spricht Ziesel-Population die Überlebensfähigkeit ab

Das fortlaufende Monitoring durch die Ziesel-Expertin Dr. Ilse Hoffmann, Universität Wien, belegt schwarz auf weiß: Auch 2014 hat sich das Anwachsen der Ziesel-Population nördlich des Heeresspitals fortgesetzt.

  • Gegenüber dem Vorjahr wuchs die Population von 205 auf 289 genutzte Bausysteme an.
  • Im Vergleich zur ersten Erhebung im Jahr 2011 hat sich die Anzahl der genutzten Bausysteme sogar mehr als verdoppelt (+128 Prozent)!

Dieser eindeutig erkennbare Trend widerspricht der fragwürdigen Einschätzung der Wiener Naturschutzbehörde, die von einem ihrer Juristen im Umweltausschuss des Bezirksparlaments Floridsdorf dargelegt wurde.

Die MA22 geht davon aus, dass das Vorkommen beim Heeresspital langfristig nicht überlebensfähig ist und will ihre angeblichen Aktivitäten auf den Bisamberg konzentrieren. Der von EU-Kommission initiierte Ziesel-Aktionsplan, der angesichts anhaltender europaweiter Bestandsrückgänge die Absicherung aller bestehenden Populationen zum vorrangigen Ziel hat, kümmert die Behörde offenbar gar nicht.

Neueste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen jedoch: Stimmen die Umweltfaktoren, sind schon Vorkommen ab 300 Individuen überlebensfähig. Präsentiert wurde das Forschungsergebnis, das von Dr. Hoffmann auch im neuen Bericht zitiert wird, auf der diesjährigen, von der Universität Wien organisierten EGSM-Konferenz.

Die Veranstalter durften sich übrigens über ein Sponsoring durch die MA 22 freuen. Ob die Behörde im Gegenzug auch die neuen Zahlen zur Größe lebensfähiger Ziesel-Populationen zur Kenntnis nimmt?

Aufregung um Rasenmäh-Prozesse

Tony Rei, Madeleine Petrovic und Udo Guggenbichler beim Sensen des verbrachenden Ziesel-Habitats nördlich des Wiener HeeresspitalsIm Juli dieses Jahres hat ein Team engagierter Naturschützer unter Anleitung des prominenten Starmagiers Tony Rei, der Obmann der Wiener Naturwacht ist, einen Teil des verbrachenden Areals nördlich des Heeresspitals gemäht. Tony Rei ist beeidetes Naturschutzorgan der Stadt Wien und hat in dieser Funktion den Ziesel-Bescheid der Stadt Wien an die Bauträger mit Sensen und Heugabeln umgesetzt. Der Bescheid besagt, dass die Projektfläche solange zu pflegen ist, als nicht mindestens die Ausgleichsflächen von gleich viel Zieseln besiedelt sind wie die Projektflächen. Da die Ziesel kurze steppenartige Grasvegetation als Lebensraum benötigen, war für die Tiere und ihr Habitat Gefahr im Verzug.

Zum „Dank“ wurden neben Tony Rei, die Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins, Dr. Madeleine Petrovic (Die Grünen), der stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses im Wiener Gemeinderat, Ing. Udo Guggenbichler (FPÖ) und weitere Personen von den Bauträgern wegen Besitzstörung und auf Schadensfestellung verklagt.

Amtlicher Dienstausweis und Dienstabzeichen von Tony Rei, dem Obmann der Wiener NaturwachtWie Kronen Zeitung und andere Medien berichten, nahm jedoch der Prozess gegen Tony Rei schon am ersten Verhandlungstag eine überraschende Wende. Das Gericht will sich nämlich davon überzeugen, dass der Naturwacht-Obmann tatsächlich amtliches Naturschutzorgan ist. Gelangt es zu dieser Erkenntnis, dann müssten die Bauträger eine Amtshaftungsklage gegen die Stadt Wien anstrengen. Über die laut Wiener Naturschutzgesetz für ein Naturschutzorgan formal erforderlichen Voraussetzungen, Dienstausweis und -abzeichen, verfügt Tony Rei jedenfalls.

Aufgrund der speziellen Eigentumsverhältnisse des Bauträger Kabelwerks, wäre damit schon das nächste bizarre Theater vorprogrammiert. Denn neben der STRABAG, ist u.a. auch die Stadt Wien am Kabelwerk beteiligt. Ein Großauftragsnehmer der Stadt Wien und die Stadt Wien selbst, verklagen die Stadt Wien.

Stadt Wien muss endlich handeln !

In Anbetracht der immer skurriler werdenden Sachlage und der von der EU unverändert drohenden Millionenstrafe, sollte die Stadt Wien nun endlich die Reißleine ziehen und den Bauträgern ein Ersatzgrundstück zur Verfügung stellen. Immerhin stehen immense 2 Mio. m2 an Bauland im Besitz der Gemeinde.

Durch Festsetzung des vom Bezirksparlament Floridsdorf eingeforderten Naturschutzgebiets rund um das Heeresspital würde auch der Fortbestand des Ziesel-Vorkommens nachhaltig gesichert werden.

Quellenangaben

[1] Bericht ökologische Aufsicht 15.10.2014 (Download)

[2] Bericht ökologische Aufsicht 09.10.2013 (Download)

[3] Bericht ökologische Aufsicht 18.10.2012 (Download)

[4] Artenkartierung Europäisches Ziesel und Feldhamster in Wien 21, September 2011 (Download)

[5] Wortprotokoll, Sitzung Wiener Gemeinderat vom 25. September 2014 (Download)

[6] ĆOSIĆ N, I JARIĆ & D ĆIROVIĆ: Minimum viable population size for the European ground squirrel (Download)

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