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Archive for Februar 2014

Update: Wie Dr. Ilse Hoffmann (Uni Wien) auf Facebook mitteilte, wurden die Baggerarbeiten nördlich des Heeresspitals wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. „Man hätte das als Lenkungsmaßnahmen interpretieren können„, erklärte die mit der ökologischen Bauaufsicht beauftragte Expertin gegenüber der Tageszeitung Kurier.

Ilse Hoffmann auf Facebook am 1. März 2014

"Bewirtschaftung" des Feldes nördlich Wiener Heeresspital ab 15. März 2014

Abbildung: „Bewirtschaftungsmaßnahmen“ im Ziesel-Habitat nördlich Heeresspital, Frühjahr 2014. Braune Flächen: Oberbodenabtrag, Rote Fläche: Verbrachung aufgrund Einstellung der Mahd (Quelle -> Download)

Beim Wiener Heeresspital bahnt sich ein bespielloser Naturschutzskandal und damit eine weitere Eskalation im Ziesel-Streit an, der bekanntlich mittlerweile in Brüssel angekommen ist.

Schon ab 15. März 2014 rollen tonnenschweren Bagger an, um am Rand des Ziesel-Habitats – tituliert als „Bewirtschaftung“ – den Oberboden abzutragen. Jedoch halten zu diesem Zeitpunkt noch die meisten der streng geschützten Nagetiere wehrlos ihren Winterschlaf.

Auch will man fortan rund die Hälfte des Projektgebiets nördlich des Heeresspitals, trotz signifikantem Anwachsens der Ziesel-Population, verbrachen lassen. Für die Tiere ist dieser Eingriff fatal. Denn die massiv vom Aussterben bedrohten Ziesel benötigen zwingend kurze steppenähnliche Vegetation.

Die bevorstehende Offensive gegen das Ziesel-Habitat wurde seinerzeit weder beantragt, noch durch den Bescheid vom April 2013 autorisiert. Allem Anschein nach, will die Stadt Wien die Maßnahmen dennoch freundlich durchwinken. Das würde auch nicht weiter verwundern, denn als Naturschutzbehörde, Bauträger und Bereitsteller von abgelegenen Ausgleichsflächen, nimmt sie eine zweifelhafte Dreifachrolle in dem unwürdigen Schauspiel ein.

Am Ende werden den Skandal die ohnehin schon leidgeprüften österreichischen Steuerzahler ausbaden müssen. Sollte es nämlich zu einer Verurteilung der Republik Österreich wegen schwerwiegender Verstöße gegen die europäischen Naturschutzrichtlinien kommen, drohen Strafen im hohen zweistelligen Millionenbereich sowie sündteure Wiederansiedlungsprogramme. „Freuen“ wir uns also auf ein von Wien eingebrocktes Ziesel-Sparpaket!

Zwei Millionen m² Bauland befinden sich im Besitz der Stadt Wien. Daher sollte es der rot/grünen Stadtregierung nicht schwerfallen, der wiederholten Forderung des Floridsdorfer Bezirksparlaments nachzukommen, den Bauträgern ein Ersatzgrundstück anzubieten und so doch noch das drohende Desaster abzuwenden. Immerhin war das Ziesel-Vorkommen beim Heeresspital ohnehin schon vor Ankauf der Grundstücke und Beschluss der Flächenwidmung amtsbekannt.

Neuer ökologischer Bericht ist brisante Bombe

Bericht ökologische Aufsicht 17.01.2014Aufgrund des im Jänner von den Bauträgern vorgelegten Berichts (-> Download), sollten bei der MA 22 eigentlich sämtliche Alarmglocken schrillen. Gleich mehrere brisante Punkte müssten die Behörde, sofern sie die Naturschutzgesetze wirklich ernst nimmt, zum Einschreiten veranlassen:

  • Seit Herbst 2012 ist die Ziesel-Population nördlich des Heeresspitals von 182 auf 216 benutzte Baue, also um fast 20 Prozent, angewachsen. Hingegen sind bis dato noch immer keine Abwanderungen auf Ausgleichsflächen, speziell über die Brücke auf die andere Seite des Marchfeldkanals, nachgewiesen. Die hochgejubelte Ziesel-Absiedlung funktioniert also in Wahrheit überhaupt nicht.
  • Der Zweck des als „Bewirtschaftung“ verkauften Abtragens der Humusschicht wird durch die Bauträger nicht dargelegt. Daher wären die Arbeiten bei Abwägung möglicher Risiken für das europaweit in schlechtem Erhaltungszustand befindliche Ziesel eindeutig zu untersagen.
  • Da nur mehr etwa die Hälfte des von Ziesel besiedelten Projektgebiets gemäht werden (80 Prozent von „Zone 2b“) und somit der Rest verwildern soll, bedeutet dies zweifelsfrei eine Verschlechterung der Habitatsqualität. Das steht aber eklatant im Widerspruch zur europäischen FFH-Richtlinie, deren primäres Ziel die europaweite Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustandes bedrohter Arten (darunter Ziesel, Feldhamster und Zauneidechse) und Lebensräume ist.
  • Zwar wird die unübersehbare Präsenz der europaweit geschützten Zauneidechse nun endlich zur Kenntnis genommen. Jedoch geht man wortwörtlich davon aus, dass „die meisten Vertreter dieser Art im März fluchtfähig sind“. Das heißt einerseits, dass im Rahmen der Erarbeiten die Flucht streng geschützter Tiere in Kauf genommen wird. Andererseits ist im Umkehrschluss davon auszugehen, dass manche Exemplare eben nicht fluchtfähig sein könnten und für diese ein mögliches Risiko ebenso in Kauf genommen wird. Klarerweise bedürften solche Maßnahmen einer Ausnahmegenehmigung, die im konkreten Fall jedoch nicht vorliegt.

Wir meinen, dass hier die Bauträger und die von ihnen bezahlten Auftragsexperten unter dem Deckmantel „Landwirtschaft“ versuchen könnten, soweit als möglich Fakten im Sinne des Bauprojekts schaffen zu wollen. Jedoch haben nach unser Kenntnis die Bauträger für die westliche Zone 1 bloß die Erlaubnis Sommergerste anzubauen, sofern dort keine Ziesel und Hamster vorkommen. Für Oberbodenabtrag, der ja den Zielen gängiger Landwirtschaft zuwider läuft, verfügen sie über keinen behördlichen Freibrief.

MA 22 an EU-Kommission: Halten an Bescheid unbeirrt fest

Heeresspital-Ziesel: EU-Kommission fordert Stellungnahme von WienWie berichtet, hat die europäische Kommission nach sorgfältiger Prüfung einer Beschwerde der IGL-Marchfeldkanal die Republik Österreich mit knallharten Fragen zum Ziesel-Vorkommen beim Wiener Heeresspital konfrontiert.

Bezeichnenderweise musste die Wiener Naturschutzbehörde auf unsere Anfrage hin eingestehen, dass man Brüssel in der Beantwortung keine Fakten, die inhaltlich über den Bescheid vom 10. April 2013 hinausgehen, mitteilen konnte. Sie gab also eindeutig zu verstehen, dass sie an ihrem Bescheid unbeirrt festhält. Es war aber gerade dieser zweifelhafte Bescheid, der die Kommission veranlasste, gegen Österreich aktiv zu werden.

Sollte die bislang zahnlose MA 22 nun sogar Maßnahmen zulassen, die sie Kraft des Bescheids gar nicht autorisiert hat, ist eine weitere Eskalation des Konflikts mit Brüssel absehbar. Selbstverständlich werden wir die obersten europäischen Naturschützer über die neuen, höchst unerfreulichen Entwicklungen umfassend unterrichten.

Schiefe Optik für Stadt Wien

Auszug aus dem Wien-Holding Geschäftsbericht 2012Die Optik in der Ziesel-Causa ist für die Stadt Wien ganz besonders schief. Über die Wien-Holding ist sie nämlich an einem der beiden Bauträger, dem Kabelwerk, beteiligt. (Geschäftsbericht der Wien-Holding -> Download)

Der massive Interessenskonflikt für die Stadt Wien ist evident, denn als zuständige Naturschutzbehörde konnte sie sich den Bescheid zur Absiedlung der Ziesel nördlich des Heeresspitals selbst erteilen. Praktischerweise stellt die städtische MA 49 auch gleich den Großteil der (teils abgelegenen und ungeeigneten) Ausgleichsflächen bereit.

Vor diesem Hintergrund zieht es Umweltstadträtin Ulli Sima – nach Eigendarstellung starke Stimme für aktive Umweltpolitik und modernen Tierschutz – vor beharrlich zu schweigen. Ihre wenigen, vom Bezirksparlament Floridsdorf erzwungenen Äußerungen, sprechen jedenfalls für sich (-> Download):

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die erteile Genehmigung den Bestimmungen des Naturschutzgesetzes und den Vorgaben der FFH-Richtlinie entspricht und daher keine Maßnahmen durch den Wiener Gemeinderat zu treffen sind.

Rot-Grüne Stadtregierung jetzt unter Zugzwang

Ziesel-Petition-2013 Heeresspital Wien small

Vor den Augen der alarmierten Europäischen Kommission startet also ab 15. März für die Ziesel am Marchfeldkanal eine Horrorshow – jene Art die in Österreich auf Platz 1 der Roten Liste steht. Mittels Baggern von links und Verbuschung von rechts, sollen wohl die Tiere zum „freiwilligen“ Verlassen ihres Lebensraums animiert werden. Möglich wird dies dank extremer Auslegung der Naturschutzgesetze und grenzwertiger „Bewirtschaftung“, wo fruchtbarer Habitatsboden nachhaltig ruiniert wird.

Das Bezirksparlament Floridsdorf und mittlerweile tausende Wienerinnen und Wiener fordern die Absiedlung des Bauprojekts an einen anderen Standort und die Festsetzung eines Naturschutzgebiets rund um das Heeresspital. Wie erwähnt, mangelt es der Gemeinde Wien nicht an Ersatzflächen für das Bauvorhaben.

Damit die Wiener Zieselvertreibung nicht zur internationalen Blamage und zur teuren Belastung für alle österreichischen Steuerzahler gerät, ist die Stadtregierung jetzt gefordert rasch zu handeln.

Die Bürgerinitiative IGL-Marchfeldkanal wird jedenfalls für den Schutz der bedrohten Ziesel-Population am Marchfeldkanal vehement weiterkämpfen.

Auch Sie können helfen! Bitte unterstützen Sie mit Ihrer Unterschrift die Petition zum Schutz der Ziesel beim Heeresspital!

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