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Archive for November 2011

Letzte Woche nahm Wohnbaustadtrat Michael Ludwig in einer Aussendung Stellung, wie es mit den vielen streng geschützten Zieseln und Feldhamstern beim Wiener Heeressspital weitergehen soll. In einem naturschutzrechtlichen Verfahren werden nun Pläne erarbeitet, um die Tiere vor Baubeginn der ca. 1.000 Wohnungen „sanft“ auf angrenzende Ausgleichsflächen „umzulenken“.

Die IGL-Marchfeldkanal spricht sich strikt gegen diese Maßnahmen aus. Eine Vielzahl an schlüssigen Argumenten zeigt, dass nur das unangetastete Belassen der Ziesel in ihrem heutigen Lebensraum ihren Fortbestand beim Heeresspital nachhaltig sicherstellen kann.

Ziesel-Population schon seit 2007 bekannt, aber in Widmung ignoriert

Obwohl bereits seit August 2007 ein dichtes Vorkommen der „prioritär bedeutenden“ Ziesel beim Heeresspital behördlich dokumentiert ist, wurden die Tiere im Jahr 2009 im Flächenwidmungsverfahren nicht berücksichtigt. In der Begründung, warum keine Umweltprüfung durchgeführt wurde, sind die Tiere nicht einmal erwähnt. Laut einem vorliegenden E-Mail der Wiener Umweltanwaltschaft wurde die für Flächenwidmungen zuständige MA 21 jedoch über das Ziesel-Vorkommen unterrichtet.

Die in der Folge in 2010 beschlossene Widmung weist somit im Bereich Naturschutz schwerwiegende Mängel auf und es stellt sich die Frage, ob sie rechtens zustande kam. Jedenfalls hätte man sich schon viel früher eingehend mit der dichten Ziesel-Population beim Heeresspital auseinandersetzen müssen.

Wären überhaupt jemals Schritte zum Schutz der Tiere gesetzt worden, wenn sie nicht dank Medienberichten einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden wären?

Gesetzlicher Lebensraumschutz für die Ziesel

Ziesel stehen in Österreich an erster Stelle der Roten Liste. Sie sind in Wien als „prioritär bedeutend“ eingestuft und genießen am gesamten Stadtgebiet Lebensraumschutz. Verboten sind laut der FFH-Richtlinie der EU und dem Wiener Naturschutzgesetz:

  • alle Formen des Fangens oder der Tötung
  • jede absichtliche Störung dieser Tiere, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzuchts-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten
  • jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten
  • der Transport im lebenden Zustand

Ausnahmen können nur aus zwingenden Gründen eines übergeordneten öffentlichen Interesses erteilt werden und zwar dann, wenn das öffentliche Interesse an der beantragten Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles deutlich höher zu bewerten ist als das öffentliche Interesse an der Erhaltung dauerhaft lebensfähiger Bestände.

Jedoch ist völlig klar: Es gibt kein übergeordnetes öffentliches Interesse, genau dort beim Heeresspital, fast 1.000 Wohnungen zu errichten!

Das gilt natürlich ganz besonders vor dem Hintergrund, dass die große Ziesel-Population vor Beginn der Planungen nachweislich längst bekannt war und es verwunderlich ist, dass im Ziesel-Habitat jemals Planungen initiiert und bis zum heutigen Tag unbeirrt fortgeführt wurden.

Auch stellen „Umlenkungen“ und seien sie noch so „sanft“, eine absichtliche Störung der bedrohten Ziesel in ihrem Lebensraum dar.

Große Restpopulation keinem Risiko aussetzen

Vielmehr liegt der Schutz der massiv vom Aussterben bedrohten Ziesel im allgemeinen Interesse, handelt es sich doch beim Heeresspital um eine große, aber isolierte Restpopulation von 828 Tieren. Der Ziesel-Lebensraum wurde in den letzten Jahren, bedingt durch die Bauprojekte entlang der Brünner Straße, ohnehin bereits stark dezimiert und ihr Fortbestand hängt schon jetzt stark vom menschlichen Einfluss ab.

Zum Vergleich: 2010 wurden bei einer groß angelegten Ziesel-Zählung in ganz Niederösterreich 1.901 Ziesel gezählt, im Burgenland gehen Experten in Summe von nur noch 2.000 bis 2.500 Tieren aus.

Angesichts dieser alarmierenden Zahlen wäre es in hohem Maße unverantwortlich, die Ziesel beim Heeresspital aus ihrem nachhaltig funktionierenden Lebensraum zu vertreiben.

Ausgleichsflächen nicht geeignet

Das vorliegende Ziesel-Gutachten beschränkt sich, abgesehen von der Kartierung, ausschließlich auf die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen nördlich des Heeresspitals. Es werden, wie die Autorin bestätigt, keinerlei Aussagen hinsichtlich eines möglichen Bauprojekts getroffen. Zwar werden Ausgleichsflächen im rechnerischen Umfang von ca. 5 ha angeführt, doch stellt sich die Frage nach deren Sinnhaftigkeit. Längst ist wissenschaftlich erwiesen, dass Ziesel keine Schädlinge sind und ihre Anwesenheit landwirtschaftliche Erträge nicht schmälert.

Die angeführten Ausgleichsflächen mögen rein zahlenmäßig als Ersatz der heute besiedelten Fläche reichen, doch sind sie qualitativ zum großen Teil ungeeignet:

Quelle: Stadt Wien – ViennaGIS

  • Die Flächen 1 und 2 befinden sich ganz offensichtlich inmitten künftig verbauten Gebiets und sogar direkt innerhalb von Gebäuden.
  • Fläche 3 läge einerseits unmittelbar an der Großbaustelle und würde später in der zweiten Tageshälfte im Schatten der Wohnhäuser liegen. Derartige Lichtverhältnisse sind für Ziesel als ursprüngliche Steppentiere nicht geeignet. Auch bei der Falkenbergwiese am Bisamberg zeigt sich, dass die Tiere jene Bereiche meiden, die zu manchen Tageszeiten im Schatten der angrenzenden Bäume liegen.
  • Zudem weist Fläche 3 schon heute exakt die selbe Vegetation wie das restliche Feld auf. Dennoch haben sich hier, wie aus der Kartierung im Gutachten klar hervorgeht, bislang praktisch keine Ziesel angesiedelt. Grund dafür ist wohl die exponierte Lage entlang des Marchfeldkanalwegs, wo ständig Spaziergänger, Jogger, Radfahrer und Hunde vorbei kommen. Darüber hinaus werden künftige Anrainer wohl kein Verständnis dafür haben, dass die Grünflächen nicht betreten werden dürfen und womöglich kein direkter Weg zum Marchfeldkanal realisierbar sein wird.
  • Fläche 4 ist stark verbuscht und ist bereits Lebensraum anderer prioritär bedeutender und streng geschützter Tierarten, wie etwa dem Neuntöter. Es ist also zu bezweifeln, ob überhaupt auch nur eine teilweise Rodung des wertvollen Buschwerks unter Einhaltung des Artenschutzes möglich sein wird. Zudem grenzt auch Fläche 4 teilweise an die Großbaustelle.
  • Fläche 5 könnte bereits heute von Zieseln und Feldhamstern besiedelt sein, denn bei einer Begehung im September 2011 fanden sich dort offensichtliche Ziesel-Bauten.
  • Fläche 6 ist weit entfernt von den Feldern nördlich des Heeresspitals und wird wohl rasch von jenen Zieseln, die schon heute südlich des Heeresspitals, also gleich daneben leben, für eine Ausweitung deren Habitats angenommen werden.

Baustellen sind größter Feind der Ziesel

Dass eine nahe Großbaustelle, die Ziesel in ihrem Lebensraum massiv stört, gilt als erwiesen. Im Ziesel-Gutachten selbst, wird ein direkter Zusammenhang zwischen der schlagartigen Zunahme der Ziesel-Population am Heeresspital-Areal und dem Beginn der Bautätigkeit entlang der nahen Brünner Straße hergestellt.

Zudem besagt, laut einem Bericht in „Der Presse“ vom 14. Mai 2005, ein dem Magistrat vorliegendes Gutachten: ‚Nahe Baustellen gelten nämlich als größter Feind des Ziesels, weil diese bei Erdbewegungen „in den Gefahrenbereich“ flüchten und dort umkommen‘.

Zieselschutz im Fall der Radio Austria Gründe

Im Jahr 2005 war auf den ehemaligen Radio Austria Gründen schon einmal eine kleinere Ziesel-Kolonie auf einer Fläche von 8 ha, also vergleichbar groß zum Feld nördlich des Heeresspitals, durch ein Bauprojekt bedroht.

Auf Antrag der SPÖ wurde jedoch im Wiener Gemeinerat der einstimmige Beschluss gefasst, die bedrohten Ziesel in ihrem Lebensraum zu schützen und die Verbauung abgesagt. Dennoch gab es in der Folge Diskussionen, ob denn dieser Beschluss überhaupt weit genug ging.

Menschliche Einflüsse als starke Bedrohung isolierter Ziesel-Populationen

Wissenschaftliche Arbeiten belegen, dass ein enges Zusammenleben von Mensch und Ziesel, sich negativ auf den Bestand der Tiere auswirkt. Ein unübersehbarer Indikator dafür ist, dass Ziesel noch in den 1960er Jahren in Ostösterreich weit verbreitet waren, aber nun an Platz 1 der Roten Liste in Österreich stehen. Dies hat klarerweise auch an anderer Stelle Auswirkungen auf das ökologische Gesamtsystem. Mit dem Verschwinden des Ziesels gehen auch die Bestände jener Arten zurück, deren Hauptnahrungsquelle einst die kleinen Nager waren, so etwa der Kaiseradler.

Ziesel in der Perchtoldsdorfer Heide (Foto: Mario "Dutchy" Wanderer)In der Perchtoldsdorfer Heide, einem beliebten Ausflugsziel, kämpft man trotz intensivster Pflegemaßnahmen gegen rückläufige Bestandszahlen. Nur mehr um die 40 Ziesel sollen dort leben. Zu den Ursachen gehören u.a. falsche Fütterung durch die Besucher oder Hunde als Stressoren. „Die direkte Folge ist weniger verfügbare Zeit für Nahrungsaufnahme bzw. Jungenaufzucht. Auf längere Sicht schädigt Dauerstress das Immunsystem und hemmt die Fortpflanzungsfähigkeit“, so ein Gutachten der Stadt Wien.

Viele Menschen erinnern sich noch an die erloschene Ziesel-Kolonie in der Langenzersdofer „Seeschlacht“. In einer Langzeit-Studie, auf die auch im Heeresspital-Ziesel-Gutachten verwiesen wird, wurde dort der starke Rückgang der isolierten Population mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ungünstige, menschliche Einflüsse zurückgeführt: „Nach einigen Jahren mit hohen Populationsdichten kam es zum Rückgang, höchstwahrscheinlich durch anthropogen verursachte Landschaftsfragmentierung und Verschlechterung des Ziesellebensraum. Unsere Untersuchung unterstützt die Annahme, dass künstlich induzierte Umweltveränderungen für den Fortbestand von Kleinsäugern am Rande ihres Verbreitungsgebiets entscheidend sein können.“

Ziesel-Umsiedlung nicht durchführen!

Eine Vielzahl an Argumenten belegt somit, dass eine Realisierung des Großbauprojekts beim Wiener Heeresspital fatale Folgen für den Fortbestand der großen Ziesel-Kolonie haben wird.

Wir appellieren daher dringend an alle politisch Verantwortlichen, sich schon wie in der Vergangenheit für den kompromisslosen Schutz der bedrohten Ziesel einzusetzen und die beabsichtigte Umlenkung der Tiere nicht durchzuführen!

Setzen Sie ein weit über die Landesgrenzen hinweg sichtbares Signal, wie vorbildlich man in Wien mit Artenschutz umgeht! Der Rückhalt der Wienerinnen und Wiener ist ihnen dabei gewiss, denn bereits 2.200 Menschen setzen sich mit ihrer Unterschrift für den Schutz der Ziesel ein.

Ziesel fordern Bleiberecht! (Foto und Animation: Andreas Gruber)

Ziesel-Foto 1: Mario „Dutchy“ Wanderer
Ziesel-Foto 2 und Animation: Andreas Gruber

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Am Mittwoch, den 9.11.2011, werden die Floridsdofer Grünen in der Bezirksratssitzung zwei Anträge für den Schutz der Ziesel beim Wiener Heeresspital einbringen. Die IGL-Marchfeldkanal begrüßt die beiden inhaltlich sehr konkreten Papiere (Grundstückstausch und optimale Form von Naturschutzgebiet). Wir sehen darin sehr gute Ansätze für eine Lösung im Sinne der bedrohten Ziesel und hoffen natürlich, dass auch die anderen Parteien den Anträgen zustimmen werden. Link zu den Anträgen.

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Bitte unterschreiben auch Sie zum Schutz der Ziesel!

Das dichte Ziesel-Vorkommen beim Wiener Heeresspital ist bereits seit 2007 behördlich dokumentiert. Wörtlich wurde damals vom Bundesheer gar von einer ‚Ziesel-Plage‘ gesprochen. Dennoch wurden die Tiere im Jahr 2009 im Verfahren zur Festlegung der neuen Flächenwidmung rund um das Heeresspital schlicht ignoriert!

Ziesel stehen in Österreich an erster Stelle der roten Liste und sind somit ganz massiv vom Aussterben bedroht. Es kann daher KEIN ÜBERGEORDNETES INTERESSE geben, genau dort beim Wiener Heeresspital, 1.000 Wohnungen zu errichten! Vielmehr liegt es im Interesse der Allgemeinheit, die Ziesel genau dort zu schützen und zu erhalten, wo sie leben, nämlich in ihrem nachweislich funktionierenden Lebensraum.

Daher wäre es geradezu skandallös, wenn die große Ziesel-Population beim Heeresspital, die schon vor Beginn der Planungen längst bekannt war, auch nur irgendeinem Risiko ausgesetzt wird!

Wir appellieren dringend an alle Verantwortlichen, die beabsichtigte Umlenkung der Ziesel mit ungewissem Ausgang nicht durchzuführen!

Schon 2.150 Unterschriften!

Wir treten für die Umwidmung der Felder und Grunflächen rund um das Heeresspital, wo mehr als 800 Zieseln leben, in ein Naturschutzgebiet ein. Bereits mehr als 2.150 Menschen aus ganz Wien unterstützen dieses dringende Anliegen.

Setzen auch Sie ein Zeichen zur Rettung der Ziesel, Feldhamster und der vielen anderen besonderen Tierarten beim Wiener Heeresspital und unterstützen Sie uns mit Ihrer Unterschrift.

Wir freuen uns auch über Spenden zum Schutz der Tiere! Wir danken dem Wiener  Tierschutzverein und seiner Präsidentin Dr. Madeleine Petrovic für die Einrichtung des Spendenkontos.

Weitere Infos: Rote Liste Marchfeldkanal

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