Große Aufregung herrscht derzeit um ein Schreiben von Stadtrat Michael Ludwig. In dem Brief an Bezirksvorsteher Heinz Lehner lässt der Wohnbaustadtrat keinen Zweifel am unveränderten politischen Willen, den Ziesel- und Feldhamster-Lebensraum nördlich des Wiener Heeresspitals rasch mit fast 1.000 Wohnungen zu verbauen. Die Maßnahmen zum Absiedeln der bedrohten Arten könnten sogar schon in Kürze starten.
Das Papier enthält aber noch weitere brisante Details. So ist nördlich des Heeresspitals schon länger ein möglicher Ziesel- oder Hamsterbestand bekannt, der inzwischen durch eine teilweise Verbauung schwerwiegend in Mitleidenschaft gezogen worden sein könnte!
Meinungsverschiedenheiten in der SPÖ-Floridsdorf?
Der Brief ist Ludwigs Antwort auf einen von der Floridsdofer SPÖ im November 2011 im Floridsdorfer Bezirksparlament eingebrachten Antrag, worin der Wohnbaustadtrat ersucht wird, ein Gutachten zu beauftragen, um die Vereinbarkeit des Schutzes für Ziesel und Feldhamster mit der Errichtung von Wohnungen im Bereich nördlich des Heeresspitals grundsätzlich abzuklären.
Dieser Bitte kam Michael Ludwig, der Bezirksparteiobmann der Floridsdofer Sozialdemokraten, jedoch nicht nach. In seiner Antwort hält er lediglich fest, dass es Ziel des naturschutzrechtlichen Verfahrens sei, „die widmungsgemäße Bebauung unter Einhaltung der artenschutzrechtlichen Bestimmungen voll zu ermöglichen“. Auch das zweite Anliegen seiner Parteikollegen, in den Untersuchungen nicht nur das Gebiet nördlich des Heeresspitals, sondern den gesamten Ziesel-Lebensraum rund um das Heeresspital zu betrachten, blieb unberücksichtigt.
Fragwürdiges Ziel im Naturschutzverfahren
Kann es tatsächlich Ziel eines naturschutzbehördlichen Verfahrens sein, die Lebensraumverbauung streng geschützter Arten „voll zu ermöglichen“? Eine solche „Service-Funktion“ für Bauträger ist weder im Wiener Naturschutzgesetz, noch in der EU-FFH-Richtlinie, vorgesehen.
Wie schon die Bezeichnung nahelegt, ist es Aufgabe eines naturschutzrechtlichen Verfahrens die Vereinbarkeit konkrekter Projektpläne mit den Bestimmungen des Naturschutzgesetzes festzustellen. Die Darstellung im Schreiben bringt wohl eher die Erwartungshaltung des Wohnbaustadtrats bezüglich des Verfahrensausgangs zum Ausdruck und nährt Zweifel, ob das naturschutzrechtliche Verfahren, anders als zugesichert, tatsächlich ergebnisoffen ist.
Ziesel und Hamster bereits in der Vergangenheit zubetoniert?
Aufhorchen lässt der Wohnbaustadt mit der völlig neuen Information, dass nördlich des Heeresspitals schon in der Vergangheit konkrete Hinweise auf die dortige Popoulation von Feldhamstern und/oder Zieseln gefunden wurden.
18 Baue, die jedoch nicht exakt einer der beiden streng geschützten Arten zugeordnet wurden (zur eindeutigen Unterscheidung hätte es des Einsatzes von Spurröhren bedurft), konnten auf einer ca. 1 ha großen Fläche entdeckt werden.
Brisanterweise wurde inzwischen, laut Michael Ludwigs Ausführungen, ein Teil der untersuchten Flächen verbaut! Aus Sicht des Artenschutzes wirft das natürlich drängende Fragen auf:
- Wurden nördlich des Heeresspitals, trotz der Kenntnis einer Ziesel- oder Feldhamsterkolonie, Bauprojekte ohne ein naturschutzrechtliches Verfahren durchgeführt?
- Was passierte konkret mit den betroffenen Tieren?
- Welche Maßnahmen wurden zu deren Schutz gesetzt?
- Wurden die 18 gefundenen Baue in der Folge näher untersucht?
- In welcher Form floss deren Kenntnis in die Planungen für das beabsichtigte Großprojekt nördlich des Heeresspitals ein?
Ausgleichsflächen? Welche Ausgleichsflächen?
Unklar ist, auf welche Ausgleichsflächen das Papier konkret Bezug nimmt, denn die in 2011 im Rahmen der Ziesel-Kartierung identifizierten Ersatzflächen eignen sich nur im Hinblick auf eine mögliche landwirtschaftliche Nutzung. Hinsichtlich des Bauprojekts sind diese Flächen zu einem großen Teil jedoch nicht von Relevanz, liegen sie doch inmitten der Großbaustelle oder grenzen unmittelbar daran an. Noch viele weitere Gründe sprechen gegen die Verwendung als Ausgleichsflächen.
Da es seit der letzten Kartierung keine großen tektonischen Umwälzungen rund um das Wiener Heeresspital gab, ist also noch immer davon auszugehen, dass für die angestrebte Großverbauung kein genügend großer Ersatzlebensraum zum Schutz der Ziesel und Feldhamster zur Verfügung steht.
Unverändert keine Prüfung von Alternativen
Das geplante Großwohnbauprojekt nördlich des Heeresspitals erstreckt sich zum Teil auch auf das Areal des Heeresspitals. Daher war bereits zum Widmungszeitpunkt klar, dass sich das Vorhaben mit dem dort längst bekannten, dichten Zieselvorkommen überschneidet. Doch statt im Rahmen einer Umweltprüfung das tatsächliche Ausmaß der Ziesel-Population abzuklären und mögliche Alternativen zu prüfen, wurden die streng geschützten Tiere in der Widmung nicht berücksichtigt.
Aber auch jetzt, wo eines der größten Ziesel-Vorkommen Österreichs publik und in vollem Umfang erfasst ist, werden offensichtlich keine Alternativen diskussiert, um den massiv vom Aussterben bedrohten Tieren eine riskante Übersiedelung auf Ausgleichsflächen zu ersparen.
Man darf also gespannt sein, wie die Wiener Behörden gegenüber der europäischen Kommision argumentieren werden. Das unbeirrt lineare Vorgehen um Wohnungen im Habitat einer längst bekannten Relikt-Zieselkolonie zu errichten, wird wohl Befremden hervorrufen.
Überwiegendes öffentliches Interesse genau dort beim Wiener Heeresspital Wohnungen zu bauen, besteht jedenfalls nicht. Vom Standpunkt öffentlichen Interesses kann nur der Schutz der massiv vom Aussterben bedrohten Ziesel und der ebenfalls gefährdeten Feldhamster Vorrang haben.
Unterschreiben Sie für ein Naturschutzgebiet!
Nur ein geeignetes Naturschutzgebiet auf den Flächen am und rund um das Wiener Heeresspital kann sicherstellen, dass die dort ansässigen Ziesel- und Feldhamsterpopulationen nachhaltig geschützt sind.
Setzen auch Sie, so wie schon mehr als 3.600 weitere Menschen, ein Zeichen für wirksamem Artenschutz, abseits von Hochglanzprospekten und Konferenztischen. Bitte unterstützen Sie die bedrohten Arten beim Wiener Heeresspital mit Ihrer Unterschrift!