Kein einziges Ziesel ist bislang vom Feld nördlich des Heeresspitals abgewandert. Trotzdem könnten die wehrlosen Tiere schon bald tonnenschweren Baggern gegenüberstehen!
Denn von Flächen, die nach Meinung der Bauträger derzeit nicht von Zieseln besiedelt sind, soll – laut Auskunft des beauftragten Baukonzerns – schon demnächst die Humusschicht abgetragen werden. Durch anschließendes Planieren will man eine Wiederansiedlung der ungeliebten Nager verhindern.
Der Startschuss für die Bauarbeiten fällt wohl nicht zufällig mit dem gerade in Gang befindlichen Bauträgerwettbewerb zusammen. Schließlich gilt es doch Käufer für drei der insgesamt sechs Bauplätze zu finden. Zweifel am Erfolg der Ziesel-Lenkungsmaßnahmen sollen bei den potentiellen Großinvestoren erst gar nicht aufkommen.
Die Bürgerinitiative IGL-Marchfeldkanal stellt den zugrundeliegenden naturschutzrechtlichen Bescheid nun online und zeigt einige seiner augenscheinlichsten Defizite und Ungereimtheiten auf.
Wir werden wir uns jedenfalls mit Nachdruck dafür einsetzen, dass zumindest dieses absolute Minimum an Restnaturschutz auf Punkt und Beistrich eingehalten wird. Zugleich prüfen wir derzeit intensiv Optionen um gegen den Bescheid juristisch vorzugehen.
Schrittweise Verbauung als potentielle Vertreibungsmaßnahme
>> Der MA 22-Bescheid – Zum Downloaden hier klicken <<
Der signifikanteste Punkt des von der Wiener Naturschutzbehörde MA 22 erlassenen Faserschmeichler-Bescheids sticht sofort ins Auge: Auf jedem der sechs Bauplätze darf, sofern sie nachweislich frei von geschützten Arten sind, umgehend mit Bautätigkeiten begonnen werden.
Bauplatz für Bauplatz kann das Feld von Westen her aufgerollt und so Schritt für Schritt das Gesamtprojekt realisiert werden. Denn es ist unschwer absehbar, dass auf Nachbarbauplätzen verbliebene Tiere, aufgrund der heftigen Auswirkungen der Bautätigkeit (Bodenvibrationen, Lärm und Schmutz), in Panik die Flucht ergreifen und letztlich das gesamte Feld räumen werden.
Die Effektivität dieses Vorgehens hat sich bereits in der Vergangenheit gezeigt. Als ab etwa 2005 in näherer Umgebung Wohnbauten errichtet wurden, kam es in der Folge zu einem sprunghaften Anstieg der Ziesel-Population innerhalb des Heeresspital-Areals.
Weitere wesentliche Vorteile liegen auf der Hand. Der kolportierte Zeitplan kann mit Hinblick auf das nahende Wahljahr 2015 durchgepeitscht werden. Ohne sich beim Pflügen der Projektfläche das öffentliche Image anzupatzen, kann zudem die „freiwillige“ Abwanderung aller Ziesel medial als beispielloser Erfolg gefeiert werden.
Anonyme Monstertafel verkündet „erste Projektumsetzungsschritte“
Ein kürzlich am Marchfeldkanal aufgestelltes Super-Size-Board, verkündet die bevorstehenden Planierungsarbeiten euphemistisch als „erste Projektumsetzungsschritte“.
Viele der angeführten Fakten sind zweifelhaft oder gar objektiv falsch. Einzig spannend ist die abgebildete Grafik. Sie veranschaulicht gleichermaßen die vordergründig kommunizierte Lenkung der Ziesel auf weit verstreute Ausgleichsflächen, als auch die drohende schrittweise Verbauung des Areals vom Westen her.
Farbenfrohe Logos oder sonstige Hinweise auf die Verantwortlichen sucht man auf dem eigentümlichen Monument freilich vergebens. Selbst die Naturschutzbehörde wird abstrakt als „zuständige Stelle“ umschrieben. Das ursprünglich angebrachte Taferl mit dem Namen der involvierten Baufirma und der von ihr gesponserten Festspiele wurde wieder abmontiert.
Wer will schon gerne mit Offensivmaßnahmen in Verbindung gebracht werden, die sich in einem der letzten großen Habitate jener Tierart zutragen, die in Österreich auf Platz 1 der Roten Liste steht?
Klares gesetzliches „NUR DANN“ ist für Behörde kein Hindernis
Was den Ziesel-Schutz betrifft, befindet sich die weisungsfreie MA 22 seit mehreren Jahren in einer veritablen Formkrise. Schon 2009 im Widmungsverfahren war der Behörde in ihrer Stellungnahme das amtsbekannte Ziesel-Vorkommen am Areal des Heeresspitals keine Erwähnung wert. Der Positivbescheid zur Absiedlung der Ziesel lässt den Leser wegen vieler Widersprüchlichkeiten, Auslassungen und nicht nachvollziehbaren Schlussfolgerungen abermals staunend zurück.
Auf Seite 5 zitiert die Behörde korrekt die notwendigen naturschutzrechtlichen Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausnahmebewilligung im Artenschutz:
„Nach § 11 Abs. 4 Wiener Naturschutzgesetz kann die Bewilligung nach Abs. 2 und 3 nur dann erteilt werden, wenn 1. der Antragsteller glaubhaft macht, dass es keine andere zufriedenstellende Lösung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 der Fauna-Flora-Habitat – Richtlinie und Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutz-Richtlinie gibt und 2. der Erhaltungszustand der betroffenen Art im Gebiet der Bundeshauptstadt Wien trotz Durchführung der bewilligten Maßnahme günstig ist.“
In der Folge hält sie auf Seite 9 fest, dass der Erhaltungszustand des Ziesels landesweit „nicht günstig“ ist:
„Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass der Erhaltungszustand des Ziesels in Österreich und in Wien derzeit als nicht günstig einzustufen ist. Dies wird damit begründet, dass in Österreich ein starker Verbreitungsrückgang mit einer Fragmentierung der Lebensräume zu beobachten ist.“
Dieser klaren gesetzlichen Restriktion zum Trotz, zaubert die Behörde in der Folge das „Wolfsjagd-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2007 hervor. Demnach seien Eingriffe auch dann zulässig, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie den ungünstigen Erhaltungszustand einer Population nicht verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindern kann.
Bezogen auf Wien ist die Verteidigung, wonach das lokale Naturschutzgesetz bloß EU-Recht umsetzt, ohne Relevanz. Einerseits ist das Wiener Naturschutzgesetz auch in anderen, sehr wesentlichen Punkten noch restriktiver als die europäische Fauna-Flora-Habitatsrichtlinie. Andererseits hätte 2012, anlässlich der Novellierung des Wiener Naturschutzgesetzes, die Möglichkeit bestanden, die gesetzlichen Vorgaben (fünf Jahre nach besagtem EU-Urteil) entsprechend aufzuweichen.
Darüber hinaus bleibt die Behörde den hinreichend schlüssigen Nachweis, dass sich der ungünstige Erhaltungszustand der betroffenen Population nicht weiter verschlechtert wird, offenkundig schuldig. Ganz im Gegenteil führt sie aus, dass in Österreich ein starker Verbreitungsrückgang der Ziesel zu beobachten ist, die mit Fragmentierung ihrer Lebensräume einhergeht. Die vorsätzliche Fragmentierung des Habitats (weit verstreute Ersatzflächen) ist jedoch zentrales Element der „Ausgleichslösung“ beim Heeresspital und impliziert per se eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der betroffenen Population.
Auswirkungen auf Gesamtpopulation werden ignoriert
Beharrliches Kleinreden der betroffenen Ziesel-Population zieht sich wie roter Faden durch den gesamten Bescheid. Obwohl rund um das Wiener Heeresspital mehr als 800 Ziesel leben (Österreich: nur noch 15.000 bis 30.000), fokussiert sich die MA 22 ausschließlich auf die rund 170 Tiere am Bauland im nördlichen Bereich.
Absehbare Konsequenzen für die übrige Population am Areal des Heeresspitals und südlich davon, werden hingegen von der Behörde völlig ignoriert:
- Die Wirkungen der Baustelle (Schmutz, Lärm und Bodenvibrationen) werden sicher nicht am Zaun des Heeresspitals halt machen.
- Das Bauprojekt umfasst die Grundstücke 868/13 und 868/14 (KG 01616) die beide zum Teil am heutigen Areal des Heeresspitals liegen und dieses somit direkt betreffen!
- Auch fiele die verbliebene Restpopulation nach Absiedlung der nördlichen Ziesel unter die kritische Schwelle von 700 Individuen, die – wie die Behörde im Bescheid selbst festhält – für den dauerhaften Erhalt einer Population notwendig sind:
„Es ist aber eine gewisse Anzahl von Exemplaren (ca. 700), die miteinander in Austausch stehen, für den dauerhaften Erhalt einer Population notwendig.“
Umgekehrt ist davon auszugehen, dass eine versprengte Kolonie von nur 170 Zieseln, verteilt auf weit verstreute Einzelflächen, folglich dem Untergang geweiht ist.
Skurrile Zählmethoden für Akzeptanz der Ausgleichsflächen
So wie wenn ein Hund auf die Wurst aufpassen soll, lässt die Behörde den Bauträgern freie Hand bei der Erhebung, ob und in welchem Umfang die Ausgleichsflächen durch die Zieseln angenommen werden. In Wahrheit ist dies ist jedoch ein kritischer Aspekt. Denn erst wenn sich auf der Ausgleichsfläche mindestens die Hälfte der Ziesel selbstständig angesiedelt haben, wie gleichzeitig noch auf dem Bauland ansässig sind, darf mit den Lenkungsmaßnahmen begonnen werden.
Nach Meinung von MA 22 und Wiener Umweltanwaltschaft steht die Akzeptanz der Ersatzflächen bereits dann fest, wenn sich nur EIN EINZIGES Ziesel vom Feld nördlich des Heeresspitals auf eine der Ausgleichsflächen verirrt. Die Herkunft aller übrigen Tiere ist demnach nicht von Belang. Von der Wiener Umweltanwaltschaft, die sich entgegen ihres Namens bei den Heeresspital-Zieseln bisher in größtmöglicher Zurückhaltung geübt hat, heißt es dazu:
„Für den Weiterbestand der Population ist es im gegenständlichen Fall unwesentlich, woher die Ziesel auf den Ausgleichsflächen zuwandern. Die Art des Nachweises der Zuwanderung von Zieseln nördlich des Heeresspitals ist dem Antragsteller überlassen, der Wiederfang eines gechipten Tieres wäre eine Möglichkeit. Ein Nachweis auf A2 wäre ausreichend, wenn sich in den gesamten Ausgleichsflächen mindestens ebenso viele zugewanderte Ziesel angesiedelt haben, wie gleichzeitig noch auf Bauland ansässig sind.“
Ausgleichfläche A3 ist bereits heute von Zieseln besiedelt – die MA 22 hat Kenntnis davon – und grenzt an das Heeresspital-Areal unmittelbar östlich davon an. Mit dem Projektgebiet nördlich des Heeresspitals ist die Fläche jedoch nur über einen schmalen Korridor A2 verbunden (siehe Lageplan). Bei zusätzlicher Attraktivierung von A3 ist klarerweise auch eine vermehrte Besiedlung durch Ziesel, kommend vom Heeresspital-Areal, zu erwarten.
Um mit dem Vertreiben der Ziesel nördlich des Heeresspitals beginnen zu können, reicht es also aus, A3 mit ausreichend vielen Zieseln aus dem Heeresspital zu „befüllen“ und dann auf A2 noch ein einziges Individuum aus dem Projektgebiet anzutreffen! Wie sich betreffendes Ziesel als solches zu erkennen gibt, ist für die Behörden jedenfalls von nachrangiger Bedeutung.
Wiener Naturschutz auf Tauchstation – trotz Alternativen!
Rund 2 Millionen Quadratmeter an Baulandereserve befinden sind im Besitz der Stadt Wien. Für die Errichtung der rund 950 Wohnungen beim Heeresspital muss es also offensichtlich Alternativen an anderen Standorten geben.
Doch anstatt – wie auch vom Bezirksparlament Floridsdorf gefordert – zum Schutz der Ziesel-Population das Bauprojekt zu verlegen, hält die Stadt Wien stur an der hochriskanten Absiedlung der europaweit streng geschützten Tiere fest. Warum eigentlich?
Solange die Bagger noch nicht aufgefahren sind, ist es aber noch nicht zu spät um für den Erhalt der Ziesel-Population und die vielen anderen geschützten Tierarten beim Wiener Heeresspital zu kämpfen.
Nach wie vor besteht für Wienerinnen und Wiener die Möglichkeit, unsere Petition für die Absiedlung des Bauprojekts und ein Naturschutzgebiet rund um das Heeresspital zu unterzeichnen. Bereits 2.500 engagierte Menschen unterstützen unsere Aktion. Bitte unterschreiben auch Sie!
es ist eine schweinerei, wie die über uns hinweg weitermachen, wir sollten eine angemeldete demo veranstalten und zwar einmal vorm bezirksamt, einmal beim zuständigen ministerium und ebenso um das zieselareal….es werden sicherlich sehr sehr viele leute mitmachen.