Wie zuletzt durch die EU-Kommission von höchster Stelle bestätigt, verlief die Ziesel-Absiedlung beim Wiener Heeresspital bisher erfolglos. Ungeachtet dessen starten dort bald – direkt im Lebensraum der streng geschützten Ziesel und entgegen der Vorgaben eines früheren Bescheids – erste Baggerarbeiten um den Oberboden abzutragen und so unumkehrbar Fakten zu schaffen.
Ermöglicht wird dies durch beispiellose Bescheide der Wiener Umweltbehörde MA 22, die sogar die brutale Zerstörung bewohnter Zieselbaue gestattet. Das am Papier äußerst restriktive Wiener Naturschutzgesetz wurde, zugunsten des Profits von Bau- und Finanzlobby, de facto entsorgt. Die nun genehmigten Zerstörungen entsprechen weitgehend den schon im Sommer 2015 publik gewordenen, jedoch vor der Wien-Wahl noch scheinheilig abgestrittenen, Plänen.
Seit Bekanntwerden des behördlich abgesegneten, schamlosen Frontalangriffs gegen jene Tierart, die in Österreich auf Platz 1 der Roten Liste rangiert, formiert sich in den sozialen Netzwerken, energischer Widerstand. Zur Koordination wirksamer Protestmaßnahmen für jenen Tag, an dem die Bagger anrücken, haben Aktivisten u.a. eine SMS-Kette ins Leben gerufen. Zahlreiche aufgebrachte Bürger haben sich bereits in den Verteiler eingetragen.
Am Sonntag, dem 3. April 2016, wird eine Protestkundgebung stattfinden. Treffpunkt um 14:30 am Bahnhofsplatz, Endstation Linie 31, Wien-Stammersdorf.
Kein Ziesel kommt zu Schaden – oder?
Im April bzw. Juni 2016 (vor bzw. nach der Jungenaufzucht) darf laut Genehmigung der MA 22 eine 30cm dicke Bodenschicht abgetragen werden. Sollten sich Ziesel weigern ihre Baue zu verlassen, werden die Baue rücksichtlos schichtweise weggebaggert – solange bis die Tiere die Flucht ergreifen müssen. Auf Teilen der Ausgleichsflächen, wohin die Tiere bis dato ihren Weg nicht gefunden haben, sollen Ersatzröhren vorgebohrt werden. Die wegen ausgebliebener Mahd im letzten Jahr von der betroffenen Fläche bereits verschwundenen Tiere kamen dort jedenfalls nicht an.
Wie man Wiens restriktives Naturschutzgesetz spielerisch aushebelt
Wie gelang es der Behörde nun, einen neuen, für die Bauträger günstigeren Bescheid für das selbe Projekt auszustellen? Ein Vorhaben darf bei unveränderter Ausgangslage nämlich nicht einfach so oft eingereicht werden, bis der erteilte Bescheid Politik und Baulobby genehm ist.
Zunächst kommt hier die bei größeren, UVP-pflichtigen, Projekten explizit verbotene “Salami-Taktik” zur Anwendung: Das Projekt wird in separate Teile zerstückelt, beantragt wird der Bodenabtrag vorerst nur für ca. ⅓ der Gesamtfläche – und voila, die Anzahl der betroffenen Tiere erscheint mit 10 (statt 270) verschwindend klein im Vergleich zur Gesamtpopulation von 900 Tieren beim Heeresspital, und die Auswirkungen des Eingriffs somit als gering. Damit kann die Behörde auch fröhlich die von der aktuellen Einreichung nicht erfassten Teile der Projektfläche, die natürlich auch ein Ablaufdatum haben, als nicht betroffenen Ziesellebensraum anführen:
„Die Baufeldfreimachung betrifft ca. 1,1 ha (ca. 5 bis 10 Ziesel- oder Hamsterbaue). Auf der Fläche nördlich des Heeresspitals gibt es noch ca. 5 ha weiteren Lebensraum (ca. 250 Baue), die von den gegenständlichen Maßnahmen nicht betroffen sind.“
..und darüber hinaus den ORF-Zusehern via ZIB 2 landesweit die freudige Botschaft aus Wien überbringen, dass im April Vorarbeiten „auf jenem Teil des Grundstückes, wo ohnehin kaum Zieselbaue sind“ begonnen werden können.
Ignoriert wird dabei, dass ein Jahr zuvor noch ca. 45 Ziesel nachgewiesen auf dieser Fläche lebten und der Bestand nur aufgrund gezielt unterlassener Mahd stark gesunken ist (durch den Bescheid 2013 explizit untersagt!).
Herbeigeredeter Zieselboom in Wien
Das Wiener Naturschutzgesetz lässt Ausnahmebewilligungen ausdrücklich nur dann zu, wenn der Erhaltungszustand der betroffenen Tierart vor und nach Durchführung von Eingriffen günstig ist. Diese notwendige Voraussetzung trifft für das Ziesel zweifelsfrei nicht zu, weswegen die Wiener Behörde sämtliche Anträge der Bauträger umgehend zurückweisen hätte müssen. Denn erst im Vorjahr wurde von der Republik Österreich, im Rahmen verpflichtender Reportings, für das Ziesel der schlechtest mögliche Zustand, nämlich „U2(-) – Unfavourable Bad, mit negativer Aussicht“, an Brüssel gemeldet.
Dieses Problem wurde jetzt auf typisch wienerische Art gelöst – man redet die Realität schön, und betreibt Jubel-PR. Tatsache ist, eine 2014/15 durchgeführte Zählung der Wiener Ziesel hat eine Anzahl von 9500 Tieren ergeben, während 2002-2005 durchgeführte Erhebungen 4500-6500 Tiere schätzten
Auch wenn noch so sehr quer durch alle Medien über ein gigantisches Wachstum und den guten Erhaltungszustand der Ziesel in Wien frohlockt wird, wahr und seriös wird dadurch diese Behauptung dennoch nicht, denn selbst die für die alte Schätzung verantwortliche Expertin Dr. Ilse Hoffmann meint, dass die beiden Zahlen wegen unterschiedlicher verwendeter Verfahren nicht vergleichbar seien, und es “reichlich gewagt” sei, von einem Anwachsen zu sprechen. Die einzige zwischen den Zählungen tatsächlich vergleichbare Größe ist der besiedelte Lebensraum, und dieser ist – wie die Behörde selbst im Bescheid eingesteht – geschrumpft.
Aus Fehlern nichts gelernt
Bereits der Bescheid aus dem Jahr 2013 stand europarechtlich auf äußerst schwachen Beinen, Die IGL-Marchfeldkanal legte Beschwerde bei der EU-Kommission ein. Anstatt ihre Fehler zu korrigieren, setzt die Behörde nun weitere drauf.
Die uns zur Verfügung gestellten Unterlagen enthalten keine Hinweise auf die korrekte Durchführung einer artenschutzrechtlichen Prüfung. Weder wurden alternative Standorte für das Bauprojekt geprüft, das ohne Zweifel das Endziel des Erdabtrags ist, noch wurden die Auswirkungen der Errichtung und des Betriebs (über 2000 neue Bewohner und ihre Haustiere) auf die umgebende Zieselpopulation geprüft.
Ausnahmen nach dem Wiener Naturschutzgesetz können nur dann erteilt werden, wenn das eingereichte Projekt, unter ökonomisch zumutbaren Bedingungen, nicht einem anderen Standort realisiert werden kann. Dies ist in der Bundeshauptstadt nicht der Fall, denn allein im Eigentum der Stadt Wien befinden sich riesige 2 Mio. Quadratmeter an Bauland.
In Wahrheit können also keine zwingenden Gründe vorliegen, die Zerstörung eines der letzten großen Ziesel-Habitate für eine Verbauung überhaupt anzudenken, vor allem wenn ein Teil der Fläche über Jahre lediglich als Parkplatz genutzt werden soll.
Dennoch gelangte die MA 18 befremdlicherweise zur Erkenntnis, dass das Vorliegen zwingender Gründe öffentlichen Interesses tatsächlich gegeben sei:
„Ja, als zwingende Gründe gem. §11, Abs. 2, Z. 5, Wiener Naturschutzgesetz überwiegt aus Sicht der Wiener Stadtentwicklung das öffentliche Interesse des Gemeinwohls, also die zeitnahe Errichtung von infrastrukturell gut erschlossenem Wohnraum auf dem Areal nördlich des Heeresspitals, gegenüber dem öffentlichen Interesse der Erhaltung dauerhaft lebensfähiger Bestände.“
Absurder geht es nun wirklich nicht. Öffentliches Interesse, wonach Wohnraum zwingend am Stadtrand beim Heeresspital geschaffen werden muss, liegt schlicht und einfach nicht vor. Zahlreiche, im Einzugsbereich an der Brünner Straße errichtete, eingeschossige Supermärkte mit riesigen Parkflächen (zuletzt erst im Sommer 2015), zeugen davon, dass Flächenverbrauch, trotz gut erschlossener Infrastruktur, hier offensichtlich kein Thema ist.
Zwei widersprüchliche rechtsgültige Bescheide für dieselbe Fläche
Da kein juristischer Akt bekannt ist, der den Bescheid von 2013 außer Kraft setzen würde, existieren derzeit für die selbe Fläche zwei rechtsgültige Bescheide mit widersprüchlichen Auflagen. Während der ursprüngliche Bescheid eine Zerstörung des Lebensraums an die nachweisliche Annahme der Ausgleichsflächen durch ausreichend viele Tiere knüpft, erlaubt der neue Bescheid nun unmittelbar die Zerstörung ohne jegliche Vorbedingungen.
Die Zeit drängt: Widerstand auf allen Ebenen
Mit seinen fast 1.000 Tieren ist das Ziesel-Habitat rund um das Heeresspital eines der letzten großen Vorkommen in Österreich. Sobald die Bauarbeiten vom Rand her beginnen, werden Vibrationen, Lärm und Schmutz den verbliebenen Lebensraum der Tiere extrem beeinträchtigen und die Kolonie massiv schwächen. Die Absicht ist klar: Das Vorkommen beim Heeresspital soll abgewickelt werden, Stadterweiterungsgebiet ist Stadterweiterungsgebiet, egal, ob dort relevante Vorkommen geschützter Tierarten existieren oder nicht.
Die IGL-Marchfeldkanal wird ein solches Vorgehen der Behörde nicht einfach hinnehmen und den Versuch, eine korrekte Anwendung von Artenschutzgesetzen zu umgehen, entschieden bekämpfen.
Setzen Sie gemeinsam mit uns ein Zeichen für den Artenschutz:
Am So, 3. April, 14:30 Uhr, findet eine Protestkundgebung gegen Lebensraumzerstörung und politisch gefällige Behördenwillkür statt.
Treffpunkt: Bahnhofsplatz, Endstation Linie 31, Stammersdorf.
Ort: Ecke Jane-Tilden-Gasse/Gaswerkstrasse. – dort sollen die Baggerarbeiten beginnen.
Für spontane Aktionen im Fall der Aufnahme von Bauarbeiten wurde eine SMS-Kette eingerichtet.
Es ist eine Gemeinheit ein schönes Naturgebiet zu zerstören nur wegen Macht und Gier. Man könnte ja auch woanders bauen in keinen Naturgebiet. Hoffentlich können wir es noch verhindern. Ich wüsste aber gerne wie. Vor allem die Tiere sind sehr arm. Ich werde beten dafür das es nicht zustande kommt.
Ist es nicht möglich den Bürger bzw. den Volksanwalt einzuschalten? Oder bringt das nichts?
Lg. Valisik josef
Lässt sie doch leben. Hat die Natur keine Chance mehr-das kann doch nicht sein.
DIE TIERE MÜSSEN!!! GESCHÜTZT WERDEN! MACHT NICHT UNSERE ERDE KAPUTT; DAS MACHEN ANDERE SCHON ZUR GENÜGE: WIR HABEN NUR DIE EINE ERDE!!!