Begleitet von großem PR-Rummel ließen die Bauträger Kabelwerk und Donaucity kürzlich verlauten, dass für die streng geschützten Ziesel nördlich des Wiener Heeresspitals Ausgleichsflächen gefunden seien und die Tiere freiwillig dorthin abwandern würden.
Just die wichtigste Information, nämlich die genaue Lage dieser Ausgleichsflächen, blieb man bis dato jedoch schuldig. Wie ein brisanter Bescheid der Naturschutzbehörde nahelegt, ist zudem zu befürchten, dass die Abwanderung der Tiere gar nicht so freiwillig vonstattengehen soll.
Hinter verschlossenen Türen scheinen schon jetzt Bewilligung und Erfolg der Lenkungsmaßnahmen festzustehen, denn der Bauträgerwettbewerb für das von den Zieseln bewohnte Biotop soll noch heuer starten.
Ziesel-Exodus über Marchfeldkanal-Brücke
Zwar stehen Ausgleichsflächen angeblich schon bereit, dennoch wurden konkrete Angaben zu deren Lage tunlichst vermieden. Durchgedrungen ist bislang lediglich, dass ein Teil der Ausgleichsflächen jenseits des Marchfeldkanals liegen soll.
Um aus eigener Kraft dorthin zu gelangen, müssten die Ziesel jedoch eine schmale Brücke über den Marchfeldkanal queren. Aus der Perspektive der am Feld nördlich des Wiener Heeresspitals lebenden Ziesel, sieht diese Brücke so aus:
Blick aus der Ziesel-Perspektive auf die Exodus-Brücke
Bislang existiert kein Nachweis, dass auch nur ein einziges Ziesel jemals diese Brücke über den Marchfeldkanal überquert hat, die bei schönem Wetter, wo die scheuen Tiere die meiste Oberflächenaktivität zeigen, auch von vielen erholungssuchenden Menschen frequentiert wird.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Marchfeldkanals zeigt sich ein ernüchterndes Bild. Entgegen der kommunizierten Darstellung, stehen für die Ziesel jenseits der Brücke offensichtlich keine geeigneten Ausgleichsflächen bereit. Keine Spur von den „vielfältigen Blumenwiesen mit vielen Arten von Gräsern und Blütenpflanzen“.
Brisant: Antrag auf Ziesel-Lenken ohne Ausgleichsflächen!
Seitens der Bauträger ist man bemüht zu betonen, dass die Ziesel freiwillig auf die Ausgleichsflächen abwandern sollen. „Alle Zeitpläne sind Spekulation, wir richten uns ganz nach den Tieren“, gibt man sich gegenüber der Kronen Zeitung geduldig.
Ein brisanter Bescheid der Wiener Naturschutzbehörde MA 22 nährt jedoch massiv Zweifel, ob den Zieseln nördlich des Wiener Heeresspitals überhaupt Zeit zum Abwandern gegeben werden soll. Denn bereits im Februar 2012 beantragten die Bauträger bei der MA 22 die Erlaubnis zum Lenken der Ziesel auf Ausgleichsflächen durch streifenweises Bearbeiten ihres Lebensraums.
Doch wie aus dem Papier hervorgeht, konnten die Bauträger auf behördliche Nachfrage nicht darlegen, wohin denn die streng geschützten Tiere gelenkt werden sollen! Folgerichtig lehnte die MA 22 das offensive Ansinnen ab. Jede andere Entscheidung hätte einen veritablen Naturschutzskandal bedeutet.
Zu befürchten ist also, dass jetzt, wo Ausgleichsflächen angeblich vorhanden sind, der freiwilligen Ziesel-Abwanderung mit schwerem Gerät nachgeholfen werden soll. Angesichts eines mächtigen Pflugs werden die kleinen Tiere zwar instinktiv, jedoch keineswegs freiwillig ihren Lebensraum verlassen.
Bauträgerwettbewerb bereits angekündigt
Beim Wohnfonds Wien dürften jedenfalls keine Zweifel hinsichtlich der positiven Erledigung des Naturschutzrechtlichen Verfahrens beim Wiener Heeresspital und auch der freiwilligen Akzeptanz der Ausgleichsflächen durch die Ziesel bestehen. Noch im Jahr 2012 soll der Bauträgerwettbewerb zur Verbauung und damit zur unwiederbringlichen Zerstörung jenes wertvollen Lebensraums starten, wo heute noch die Ziesel und weitere streng geschützte Arten leben.
Die entsprechende Ankündigung und erste Details zu den Bauplätzen finden sich bereits auf der Website des Wohnfonds Wien.
Auftragsforschung zum Zweck der Absiedlung
Obwohl ein Ziesel-Vorkommen im Gebiet zwischen Marchfeldkanal und Brünner Straße schon seit 2006 durch die MA 22 dokumentiert ist, widmete man in 2010 einen Teil des Lebensraums kommentarlos für Wohnbau um. Weder erfolgte eine Umweltprüfung, noch wurden Alternativen geprüft, noch angesichts des drohenden Konflikts präventive Maßnahmen zum Schutz der Population gesetzt. Bereits damals standen die Ziesel in Österreich auf Platz 1 der Roten Liste.
Da passt es nur allzu gut in das traurige Bild, dass man sich erst jetzt, wo die inzwischen medial bekannten Tiere einem Großbauprojekt unübersehbar im Weg stehen, mit ihnen auseinandersetzen will. Die Beauftragung zur Erforschung der Ziesel-Population erfolgte aber letztlich nur mit dem zentralen Ziel, diese abzusiedeln
Unverständlicherweise beschränken sich die Untersuchungen dabei ausschließlich auf jene Ziesel, die nördlich des Heeresspitals leben. Der Rest der großen Kolonie rund um das Heeresspital wird ausgeblendet, obwohl die Auswirkungen des Bauvorhabens mit Sicherheit über die Grundstücksgrenzen hinweg reichen.
5.400 Unterschriften für würdigen Artenschutz
Nach Expertenmeinung des Lebensministeriums würde die Verbauung des Habitats gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Dennoch droht nun, weichgezeichnet durch professionelle PR-Inszenierungen, die riskante Vertreibung der massiv vom Aussterben bedrohten Ziesel und der ebenfalls dort ansässigen, streng geschützten Feldhamster aus ihrem funktionierenden Lebensraum.
Die überparteiliche Bürgerinitiative IGL Marchfeldkanal fordert Priorität für den Artenschutz, ohne Wenn und Aber! Daher treten wir gemeinsam mit bereits 5.400 Unterstützern für die Einrichtung eines Naturschutzgebietes auf sämtlichen unverbauten Flächen rund um das Wiener Heeresspital ein.
Unterschreiben auch Sie!
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