Die MA 22 hat im letzten Jahr den Abtrag des Oberbodens (somit die Zerstörung des Lebensraums) auf einem Drittel der Projektfläche (2.2 ha) beim Heeresspital genehmigt. Bei einer Pressekonferenz am 5.April 2016 verkündeten Bauträger (involviert sind Kabelwerk, Donaucity, Sozialbau, Familienwohnbau) und ökologische Bauaufsicht (Knoll Consult), dass die abzutragende Fläche zieselfrei sei, und deshalb (nach einem Bodenabtrag im Frühjahr) ab September gebaut werden wird.
Betrachten wir die Angelegenheit näher:
- Im Oktober 2014 lebten 264 Ziesel auf der Projektfläche, 24 auf den Ausgleichsflächen.
- Im Oktober 2015 lebten 270 Ziesel auf der Projektfläche, nur 25 auf den Ausgleichsflächen, also nur eines mehr.
- Von einer Abwanderung auf die Ausgleichsflächen kann also keine Rede sein. Das sind nicht einmal 10% der Population auf der Projektfläche, laut Bescheid von 2013 hätten es aber mindestens 50% sein müssen, um die Ziesel-Lebensraumvernichtung einzuleiten.
- Auf der nun “zieselfreien” Fläche waren im Oktober 2014 noch 45 Tiere zu finden, die MA 22 dürfte trotzdem bereits im Sommer 2015 einer Zerstörung des Lebensraums dieser 45 Tiere zugestimmt haben – die Freigabe scheiterte letztlich offenbar am Einspruch der Wiener Umweltanwaltschaft.
- Im Herbst 2015 wurde dann die Erlaubnis zum Bodenabtrag per Ausnahmegenehmigung erteilt – zu dieser Zeit war der Bestand auf diesem Teil der Projektfläche noch bei 10 Tieren.
- Nun wird behauptet, diese 10 Tiere hätten den Winterschlaf nicht überlebt oder seien abgewandert.
Wie werden aus 45 Zieseln 0?
- Dieser Teil der Projektfläche wurde großteils seit 2013 nicht mehr gemäht. Hohe Vegetation ist für Ziesel schlecht geeignet, da sie als Steppentiere auf kurzes Gras angewiesen sind. Die Qualität des Lebensraums verschlechterte sich, die Tiere wurden weniger (Abwanderung, mangelnder Fortpflanzungserfolg, Fressfeinde)
- Die Einstellung der Pflege widerspricht einer Auflage aus dem seit 2013 gültigen Bescheid, der eine Pflege der Projektfläche bis zur nachgewiesenen Akzeptanz der Ausgleichsflächen vorschreibt. (verlangte Mindestfläche wurde zuletzt unterschritten).
Wo sind die Ziesel jetzt?
Definitiv nicht in Sicherheit, denn:
- In der Zeit, in der 45 Ziesel “verschwunden” sind, ist genau 1 (!) zusätzliches Tier auf den Ausgleichsflächen aufgetaucht.
- Auch in der marchfeldkanalnahen “Pufferzone” sind in diesem Zeitraum nur höchstens 9 Tiere zugewandert. Pufferzone bedeutet übrigens “dafür hatten wir keine Ausgleichsflächen mehr, ist aber egal, da die Häuser eh nicht drauf, sondern nur gleich daneben stehen”. Man kann also getrost davon ausgehen, dass dort angesichts 2500 zweibeiniger Nachbarn zukünftig keine Ziesel mehr leben werden.
- Gut 35 der verschwundenen Ziesel dürften sich also, sofern sie noch leben, auf der verbliebenen Projektfläche stauen, zusammen mit 172 weiteren. Genau diese Fläche soll nach Aussage des nunmehrigen Kabelwerkgeschäftsführers Wasner innerhalb der nächsten 4 Jahre vollständig bebaut sein, jedes Jahr ein weiteres Baufeld. Also Salamitaktik, wie befürchtet.
Absiedlungserfolg ausgeblieben – warum?

Eine der Zieselausgleichsflächen am Marchfeldkanal (A5, kein Scherz!). „…eine Erweiterung (des Lebensraums) entlang des sogenannten Marchfeldkanals…“ (Thomas Knoll, ökologische Projektaufsicht der Zieselumlenkung)
Vorausgeschickt: Das kümmert die Behörde nicht. Auch für den Fall, dass auf der vom Abtrag betroffenen Fläche noch Ziesel wären, ob sie jemals auf einer Ausgleichfläche ankommen ist egal, der Lebensraum ist ohnehin zerstört.
- Die selben Flächen, auf deren Annahme durch Ziesel man seit drei Jahren wartet, sind jetzt wieder als Ausgleichsflächen für den zerstörten Teil der Projektfläche angegeben.
- Zum Beispiel die Marchfeldkanalböschung, seit 20 Jahren 2 mal jährlich gemäht, gelegentlich von einzelnen Zieseln bewohnt. Seit die Böschung “Ausgleichsfläche” ist, wird erwartet, dass sie sich dort in Massen ansiedeln – bei gleicher Pflege.
- Der Großteil der Ausgleichsflächen besteht aus auf der anderen Seite des Marchfeldkanals gelegenen verstreuten Wiesenstreifen und Flecken. Und einem Amphibiensumpf beim Marchfeldkanal.
- I-Tüpferl: Die Zieselgerechte Pflege sämtlicher Ausgleichsflächen ist nur für 15 Jahre vorgeschrieben.
“Geringfügige” Ausnahmegenehmigungen in Serie.
- Beim diesem ersten Filetstück der Projektfläche, meint die Behörde, die Auswirkungen seien nur gering, da nur wenige Tiere betroffen sind. Es ist zu erwarten, dass dies bei den folgenden “Teilprojekten” nicht anders ablaufen wird.
- Gleichzeitig mit dem Bodenabtrag auf der Kabelwerkprojektfläche, wird am nördlichen Rand des Zieselvorkommens auf einem weiteren Grundstück der Boden abgetragen – für ein Projekt des Österreichischen Volkswohnungswerks (ÖVW). Betroffen/Vertrieben: 15 Ziesel/Feldhamster. Auch klein. Auch geringe Auswirkungen. Auch mit “Ausnahmegenehmigung” der MA 22. Als Ausgleichsfläche haben diese Tiere ein angrenzendes Stück Marchfeldkanalböschung zugewiesen bekommen, seit über 20 Jahren 2x jährlich gemäht, aber nicht von Zieseln besiedelt. Das wird sich jetzt auch nicht ändern.
- Ein weiteres gleichzeitig genehmigtes Projekt am Rand der Fläche betrifft “nur” einen Feldhamster. Auch klein. Auch geringe Auswirkungen. Auch mit “Ausnahmegenehmigung” der MA 22.
Wie geht die naturschutzrechtliche Zirkusnummer am Ende aus?
Wir wagen eine Vorhersage:
- Nach zahlreichen “Ziesel erfolgreich umgelenkt” Meldungen für verschiedene Baufelder in den nächsten Jahren wird man irgendwann überrascht feststellen, dass leider nur ein paar Dutzend Tiere auf den Ausgleichsflächen zu finden sind, und der Rest verschollen ist.
- Warum wir das glauben? Erinnern Sie sich noch an die Feldhamster, die vom Verteilerkreis Favoriten 2011 in den Volkspark abgesiedelt wurden? Nun:
“Derzeit gibt es im Volkspark keine Hinweise auf Hamstervorkommen. Es ist davon auszugehen, dass die Population weitergewandert ist, da Anzeichen von Krankheiten, Vergiftung oder unmittelbare Gefährdung durch Bauarbeiten, weder im Zuge der Verlängerung der U1 noch durch andere Bauvorhaben fehlen.” © MA 22, 2015.
Vor dieser “erfolgreichen” Aktion gab es dort bereits Feldhamster, von denen genauso wie von den umgesiedelten nun jede Spur fehlt.
Die IGL-Marchfeldkanal wird jedenfalls diese Vorgehensweise nicht hinnehmen und alles Erdenkliche unternehmen, um den Zieseln vom Heeresspital das Schicksal der Hamster vom Verteilerkreis zu ersparen.
Die Folgen einer durch die MA 22 verschuldeten EU-Klage hätte dann der österreichische Steuerzahler zu tragen, und nicht die Bauträger, die vom Verhalten der Behörde profitieren.
Geschützte Tierarten, sowie Natur an sich hat offensichtlich keinen Stellenwert
in der Politik. Gesunder Boden im Ausmaß von 32 Fußballfeldern pro Tag wird versiegelt! Österreich kann sich nicht mehr autark ernähren! Aber die natürliche
Lebensraumzerstörung geht weiter und weiter ……..bis es zu spät sein wird!