Nördlich des Wiener Heeresspitals wurden wieder landwirtschaftliche Tätigkeiten aufgenommen. Neben der Mahd der von Ziesel und Feldhamstern besiedelten Flächen, sollen die übrigen Bereiche gepflügt und bewirtschaftet, sowie in der Folge „Lenkungsmaßnahmen“ durchgeführt werden.
Aber: Nach Expertenmeinung des Lebensministeriums – die Kronen Zeitung berichtete – würde die Realisierung der ca. 1.000 Wohnungen im Lebensraum der streng geschützten Arten gegen geltendes EU-Recht verstoßen.
Dennoch verfolgen die Verantwortlichen unverändert das Ziel, die ohnehin vom Aussterben bedrohten Tiere auf Ausgleichsflächen abzusiedeln.
Experten-Gespräch
Am 29.3.2012 wurden in einem Gespräch zwischen Vertretern der Bürgerinitiative IGL-Marchfeldkanal und den Experten Dr. Ilse Hoffmann (Uni Wien) und DI Thomas Knoll (Knoll Consult) vor Ort die beabsichtigten Maßnahmen diskutiert. Basis dafür waren schriftliche Unterlagen, die Ende letzter Woche übermittelt wurden:
Wie aus dem Zonenplan hervorgeht, sollen die Zonen 1 und 2a gepflügt und bewirtschaftet werden. In den Zonen 2b und 3 will man durch regelmäßiges Mähen ein effizientes Monitoring der Ziesel- und Feldhamsterbestände ermöglichen. Zone 3 soll auch Teil der beabsichtigen Ausgleichsflächen werden.
Zum Zweck detaillierter Kartierungen und wissenschaftlicher Untersuchungen werden ab sofort Fachleute der Universität Wien regelmässig vor Ort sein.
Landwirtschaftliche Nutzung
Klarweise begrüßen wir die an die Bedürfnisse der streng geschützten Arten angepasste Pflege der Zonen 2b und 3, handelt es sich doch um eine von uns wiederholt gestellte Forderung. Außerdem freut es uns, dass man sich auf biologische Landwirtschaft festgelegt hat und auf einen Einsatz von Pestiziden, Herbiziden, etc. verzichten will.
Hingegen sehen wir das Pflügen der anderen Bereiche kritisch. Von Seiten der Experten wurde uns allerdings versichert, dass sie eine Freigabe zum Pflügen erst dann erteilen werden, wenn in den betroffenen Gebieten keine Hinweise auf eine Besiedlung durch Ziesel- oder Hamster gefunden werden.
Lenkungsmaßnahmen
Ziesel stehen in Österreich an Platz 1 der roten Liste. Die Population beim Wiener Heeresspital ist mit 828 Tieren eine der größten Österreichs. Aufgrund ihrer isolierten Lage, eingekesselt zwischen Brünner Straße, Marchfeldkanal und Wohnbauten, ist dieses Relikt-Reservat besonders sensibel gegenüber Eingriffen.
Das Erlöschen der großen Ziesel-Kolonie bei der Langenzersdorfer Seeschlacht, die sich in einer ähnlichen Situation befand, sei als alarmierendes Beispiel angeführt.
Wir lehnen daher die beabsichtigen, riskanten Lenkungsmaßnahmen auf Ausgleichsflächen strikt ab und sehen darin zudem eine Vorgangsweise, die nicht im Einklang mit dem Artenschutz der FFH-Richtlinie der EU steht.
Endstation „Schutzschlauch“?
Darüber hinaus ist Zone 3, die laut den Unterlagen ein Teil der Ausgleichsflächen werden soll, hierfür offensichtlich völlig ungeeignet. Wie soll eine Ziesel-Kolonie in dem „Schutzschlauch“ zwischen Großbaustelle und dem stark frequentierten Weg entlang des Marchfeldkanals oder in der Folge im Schatten von Hochhäusern und gestresst durch menschliche Einflüsse langfristig Bestand haben?
Immerhin wirkten selbst die Experten im Gespräch nicht von den Qualitäten der Zone 3 als Ausgleichsfläche überzeugt.
Weitere Kandidaten für Ausgleichsflächen im erforderlichen Ausmaß von zumindest 5 Hektar konnten bis dato nicht identifiziert werden.
Fehlende Grundlage für Ausnahmegenehmigungen
Laut den Unterlagen sind auch Maßnahmen geplant, die einer Ausnahmegenehmigung durch die Wiener Umweltschutzabteilung MA22 bedürfen. Jedoch ist zu hinterfragen, auf welcher Grundlage diese überhaupt erteilt werden.
Der schlechte Erhaltungszustand der Ziesel in Österreich, die verabsäumte Prüfung von Alternativen im Widmungsverfahren („unter den Tisch gefallen„), sowie fehlendes öffentliches Interesse Planungsmängel zu Lasten von streng geschützten Arten zu korrigieren, lassen keine Gewährung von Ausnahmen zu.
Politische Lösung unumgänglich
Wir appellieren daher an die Verantwortlichen, nach einer politischen Lösung zu suchen, statt sich weiterhin mit Naturschutz-Tricks und extremen Auslegungen der EU-FFH-Richtlinie zu befassen.
Spätestens seit 2007 ist ein dichtes Ziesel-Vorkommen beim Wiener Heeresspital behördlich dokumentiert. Offenbar wurden aber keine Präventivmaßnahmen im Hinblick auf einen drohenden Artenschutz-Konflikt in dem Zielgebiet der Stadtentwicklung gesetzt.
Das führte in der Folge wohl dazu, dass die Bauträger Kabelwerk und Donau City, vermutlich ohne Vorwarnung, einen zweistelligen Millionenbetrag in die Liegenschaft nördlich des Heeresspitals investierten.
Nun gilt es jedoch unter allen Umständen zu verhindern, dass die verfahrene Situation auf Kosten wehrloser Ziesel- und Feldhamster bereinigt wird.
Unterschreiben auch Sie!
Nur ein geeignetes Naturschutzgebiet auf den Flächen am und rund um das Wiener Heeresspital kann sicherstellen, dass die dort ansässigen Ziesel- und Feldhamster-Populationen nachhaltig geschützt sind und ihr Fortbestand nicht aufgrund wirtschaftlicher Interessen gefährdet ist.
Bitte unterstützen auch Sie, so wie schon 3.900 weitere Menschen, die bedrohten Ziesel und Feldhamster beim Wiener Heeresspital mit Ihrer Unterschrift!
Leider wissen die meisten ÖsterreicherInnen schon jetzt nicht, wie diese Tiere aussehen… O-Ton einer Mutter auf die Frage ihres Kindes angesichts einer Zieselwarntafel, wie sie in Niederösterreich vom Naturschutzbund initiiert wurden: „Ein Murmeltier ist das!“
Da liegt mit der Allgemeinbildung einiges im Argen: Wenn nicht nur Eltern, sondern, wie mir aus zuverlässiger Quelle mitgeteilt wurde, auch (Volksschul-) LehrerInnen nicht über die einheimische Flora und Fauna Bescheid wissen, wie sollen es dann die Kinder?
Es dürfen keine Tiere von ihrem Lebensraum vertrieben werden!
Keine Macht den Politikern, die nur an Geld und nicht weiter denken. Was ist mit den künftigen Generationen? Diese wissen dann nicht einmal mehr, wie diese Tiere aussehen! Diese Verantwortungslosigkeit muß gestoppt werden!