Bekanntlich sollen beim Wiener Heeresspital streng geschützte Ziesel in einer hochriskanten Aktion auf fragwürdige Ausgleichsflächen verstreut werden, um so Platz für ein Mega-Bauprojekt beim Marchfeldkanal zu schaffen. Kaum bekannt hingegen ist das tatsächliche Ausmaß der betroffenen Ziesel-Population, wie eine Grafik der Universität Wien eindrucksvoll verdeutlicht.
Neue eindeutige Fakten zeigen indes, dass die naturschutzrechtliche Prüfung des Bauvorhabens, die sich bloß auf das Gebiet nördlich des Heeresspitals beschränkt, unzureichend ist. Die Planungen betreffen auch Grünflächen direkt am Areal des Heeresspitals.
Ziesel-Großvorkommen rund um das Wiener Heeresspital
Quelle: Präsentation von Dr. Ilse Hoffmann, Universität Wien, Stand 08/2011
Obenstehende Grafik illustriert mit Stand August 2011 die Verbreitung der Ziesel auf den Grünflächen am Areal des Wiener Heeresspitals sowie auf den umliegenden Gebieten nördlich und südlich davon. Die grünen Punkten zeigen dabei die Positionen der Zieselbaue. Mittlerweile ist auch die teilweise Besiedlung des östlich gelegenen Feldes durch die Tiere bekannt.
Die Darstellung verdeutlicht die tatsächliche Ausdehnung der Ziesel-Kolonie, aber auch ihre isolierte Situation. Brünner Straße, Marchfeldkanal und Verbauung im Norden bilden für die Tiere unüberwindbare Barrieren. Höchstwahrscheinlich handelt es sich um ein verinseltes Relikt-Vorkommen, das einst Teil einer großen Population vom Bisamberg nach Gerasdorf hinaus ins Weinviertel war.
Bei der Kartierung in 2011 wurde durch die Universität Wien ein Bestand von 828 Zieseln erhoben. Damit ist dieses Vorkommen beim Wiener Heeresspital eines der letzten großen in Österreich. Basierend auf den EU-FFH-Artikel 17 Daten und publizierter Zahlen aus Niederösterreich und Burgenland, könnten beim Heeresspital mehr als 20 Prozent des Wiener Gesamtbestands leben.
Eine einzige große Ziesel-Gesamtpopulation
Wider offensichtlicher Gegebenheiten, geht die Wiener Naturschutzbehörde MA22 davon aus, dass sich das Ziesel-Vorkommen beim Wiener Heeresspital in zwei getrennte, voneinander unabhängige Populationen aufteilt: Eine am Feld nördlich, sowie eine weitere am Heeresspital-Gelände und südlich davon. Wenig überraschend ist erstere deckungsgleich mit dem Projektgebiet des Bauvorhabens.
Im Gespräch vertrat man die Ansicht, dass die nördlichen Tiere über eine Brücke von der anderen Seite des Marchfeldkanals eingewandert wären und dementsprechend im Zuge der Ausgleichsmaßnamen am selben Weg wieder zurückgedrängt werden können. Neueste Untersuchungen widerlegen jedoch diese These, denn am Feld jenseits des Marchfeldkanals findet sich kein einziger Zieselbau.
Zwei Ziesel mit außergewöhnlicher Fellfärbung
Links: Am Heeresspital-Areal, (C) Norbert Szewieczek
Rechts: Nördlich des Heeresspitals, (C) Yoko Muraoka
Sowohl am Heeresspital-Areal als auch nördlich davon, wurden Ziesel mit einer außergewöhnlichen, hellen Fellzeichnung am Kopf (siehe Fotos) festgestellt. Frau Dr. Hoffmann meinte dazu, dass ihr ein derartiger Farbschlag „so noch nicht untergekommen ist“.
Das Auftreten dieser seltenen Fellfärbung auf beiden Seiten der künstlichen Trennlinie ist somit ein weiteres klares Indiz für die Zusammengehörigkeit beider Ziesel-Lebensräume.
Anders als in geschönten Darstellungen sucht man also kein neues Zuhause für eine Handvoll Ziesel. Vielmehr soll aus einer Population ein Teil herausgelöst werden und auf einen Fleckerlteppich aus Einzelflächen, deren langfristige Eignung als Habitat fragwürdig ist, zerstreut werden. Framentierung und Isolation sind erwiesene Hauptgründe für den bedrohlichen Rückgang der Ziesel in Österreich. Zweifellos würden daher die befürchteten Ausgleichsmaßnahmen eine Verschlechterung der Habitatsbedingungen für die gesamte Heeresspital-Population bedeuten. Ausgleichsmaßnahmen, die eine Verschlechterung bewirken, sind jedoch nach geltendem europäischem Recht unzulässig (Verschlechterungsverbot).
Drohende Fragmentierung aufgrund von Verbuschung
Seit in 2007 durch die Behörden eine dichtes Ziesel-Population am Heeresspital-Areal festgestellt wurde, setzte entlang dessen Grenze eine zunehmende Verbuschung ein. Als Konsequenz könnte nun die Verbindung zum nördlichen Vorkommen beeinträchtigt sein. In Kenntnis des ungünstigen Einflusses von Lebensraum-Fragmentierung, muss – statt diese als gegebenes Faktum hinzunehmen – die Wiederherstellung des optimalen Austauschs zwischen den betroffenen Flächen höchste Priorität haben.
Luftaufnahmen aus 2007 zeigen zweifelsfrei, dass seinerzeit keine nennenswerte Verbuschung entlang des Heeresspitalzauns existierte. Die Behörden konnten somit im Rahmen des Widmungsverfahrens keineswegs davon ausgehen, das dichte Ziesel-Vorkommen beschränke sich ausschließlich auf das Bundesheer-Areal, anliegende Flächen seien aber nicht besiedelt.
Heeresspital-Areal ist vom Bauprojekt direkt betroffen
Quelle: Stadt Wien – ViennaGIS
Unabhängig davon, ob eine oder zwei Ziesel-Populationen beim Wiener Heeresspital existieren, steht jedenfalls eines zweifelsfrei fest: Die Planungen für das Bauvorhaben nördlich des Heeresspitals reichen hinein auf das heutige Heeresspital-Areal, wo sie sogar punktuell mit den kartierten Zieselbauen kollidieren.
Wie oben ersichtlich, überschneiden sich die Grundstücke 868/13 und 868/14 (beide KG 01616) mit bestehenden Grünflächen am Bundesheer-Gelände. Konkret sehen sowohl die bestehende Flächenwidmung, als auch kolportierte Projektpläne, dort ein Wohngebäude und eine Zufahrtsstraße mit Wendekreis vor.
Die Verbauung dokumentierter Lebensräume von europarechtlich nach FFH-Richtlinien-Anhang IV geschützter Arten ist – außer Streit stehend – unzulässig. Folglich wäre eine Prüfung des Bauprojekts durch die Naturschutzbehörde, ohne Berücksichtigung der Auswirkungen auf das heutige Areal des Wiener Heeresspitals, unvollständig und somit unzureichend.
Schon 7.500 Unterschriften für Ziesel-Schutzgebiet
Die Ziesel stehen in Österreich seit vielen Jahren auf Platz 1 der Roten Liste vom Aussterben bedrohten Säugetiere. Trotzdem begegnet man der bedeutsamen Ziesel-Kolonie beim Wiener Heeresspital seit ihrer Entdeckung konsequent mit Ignoranz. Obwohl ihr Lebensraum in einem Zielgebiet der Stadtentwicklung liegt, kam es statt wissenschaftlicher Untersuchungen zu teuren Grundstücksankäufen. Im Flächenwidmungsverfahren fielen die streng geschützten Tiere kommentarlos „unter den Tisch“, obwohl die Verwirklichung der zugrunde liegenden Projektpläne zweifelsfrei erhebliche Auswirkungen auf ihr schützenwertes Habitat hätte.
Die IGL-Marchfeldkanal fordert unverändert die Einrichtung eines geeigneten Naturschutzgebiets auf den Grünflächen am und rund um das Wiener Heeresspital. Nur so kann dort der fortwährende ökonomische Druck auf jene Tierart, die in Österreich ohnehin mit dem Rücken zur Wand steht, beendet werden.
Bereits 7.500 Menschen unterstützen dieses Anliegen und haben mit ihrer Unterschrift ein Zeichen zum Schutz der bedrohten Ziesel und Feldhamster beim Wiener Heeresspital gesetzt. Unterschreiben auch Sie!
Verbuschung entlang der Grenze HSP/Feld nördliches HSP seit 2007, obwohl die Zieselpopulation seit 2007 bekannt ist und die FFH-Richtlinie die Republik Österreich zum Schutz dieser Tiere verpflichtet? Das Ausmaß dieses Skandals ist ja größer als bisher angenommen.