Ziesellebensraum südlich des Heeresspitals während der Jungenaufzucht zerstört – Säugende Muttertiere ohne Nahrung – Bauträger kaufte landwirtschaftlich gewidmete Flächen – nach Vertreibung problemlose Umwidmung in Bauland erhofft?
Eine in besonders korrupten Ländern beliebte Methode zur “Landverwertung” ist das Abfackeln von Wald an baulich attraktiven Standorten[1]. Ist der geschützte Wald erst mal abgebrannt, steht einer Umwidmung zu Bauland oft nichts mehr im Wege. Die kreative österreichische Variante der Schaffung vollendeter Tatsachen ist die offenbar immer populärer werdende Taktik des „Zieselpflügens“.
Durch das Entziehen der Lebensgrundlage mittels Zerstörung der Vegetation, sollen die lästigen Ziesel früher oder später von der Bildfläche verschwinden. Nördlich des Heeresspitals tauchte Ende Juni 2011, kurz nach der ersten Meldung des dortigen Zieselvorkommens an die Behörden, ein Traktor auf, um zu einem landwirtschaftlich absolut unsinnigen und für die Jungziesel denkbar ungünstigen Zeitpunkt die Fläche umzupflügen. Zum Glück für die dort lebenden und unter strengstem Naturschutz stehenden Ziesel waren sofort Anrainer sowie Aktivisten des von ihnen benachrichtigten Wiener Tierschutzvereins und von Vier Pfoten zur Stelle. Der Traktor konnte gestoppt werden, nur ein Bruchteil des wertvollen Ziesel-Lebensraums wurde damals zerstört.
Die Ziesel südlich des Heeresspitals hatten nun leider nicht so viel Glück, wie ihre Verwandten nördlich davon. Südlich des Heeresspitals gibt es keine Nachbarn, die auf verdächtige Aktivitäten aufmerksam werden könnten. Nur die, wie üblich scheinbar in einer Art Wach-Koma befindliche Wiener Umweltbehörde, deren bisheriges Verhalten bei Bauträgern keinerlei Repekt gegenüber Naturschutzgesetzen hervorzurufen vermag und einen gewaltigen Kontrollverlust in Sachen Umweltschutz erahnen lässt, sowie auf der anderen Seite einen Bauträger als Grundeigentümer – „Neues Leben“. Unvermeidlich drängt sich da die Frage auf, warum ein Bauträger eine landwirtschaftliche Fläche erwirbt – wohl kaum, um dort Getreide anzubauen. Für einen Bauträger wird ein solches Geschäft nur dann attraktiv, wenn im Hintergrund einigermäßen verlässlich eine lukrative baldige Umwidmung in Bauland winkt, bekanntes Zieselvorkommen hin oder her. Sobald auf einer solchen Fläche der Traktor mit dem Pflug unterwegs ist, handelt es sich wohl kaum um landwirtschaftliche Maßnahmen, sondern um die brutale Durchsetzung von Profit-Interessen. Nun hat der Traktor auch südlich des Heeresspitals sein Werk getan. Die Vegetation und somit die Nahrungsquelle der dort lebenden Ziesel wurde vor einigen Tagen durch Eggen oder Grubbern des Bodens einfach zerstört, und das zu einem katastrophalen Zeitpunkt: Die Jungtiere sind noch nicht selbständig und auf Muttermilch angewiesen. Wenig Futter bedeutet wenig Milch. Geschwächte Jungtiere werden bis zum Winterschlaf kaum aufholen können und diesen, sofern sie ihn überhaupt erleben, kaum überleben. Aus diesem Grund wird sogar in sämtlichen naturschutzrechtlichen Ausnahmebescheiden, die die Zerstörung von Ziesellebensraum genehmigen, jeglicher Eingriff zwischen Anfang Mai (Geburt der Jungtiere) und Ende Juni (Selbständigkeit) verboten [2]. Dazu kommt noch, dass abwandernde Ziesel die Population im Heeresspital zusätzlich unter Druck setzen, die von Norden her ohnehin mit dem altbekannten Bauprojekt und dem damit einhergehenden Lebensraumverlust zu kämpfen hat.
Population seit 2011 bekannt
Dabei ist die Zieselpopulation südlich des Heeresspitals zumindest seit 2011 amtsbekannt und gut dokumentiert. Die Wiener Umweltabteilung MA 22 hielt das Heeresspitalvorkommen für derart gut erforscht (es gibt lediglich für den Teil nördlich des Heeresspitals ein laufendes Monitoring), dass sie auf eine Kartierung im Zuge der Neukartierung aller Wiener Zieselvorkommen 2013-2015 beim Heeresspital als einzigem Vorkommen(!) verzichtete.
2011 stellte Dr. Ilse Hoffmann im Auftrag der MA 22 [3] in dem frisch abgeernteten Feld 34 Baue fest (siehe „Abbildung 2“). 2013 wurde die Bewirtschaftung eingestellt, die Fläche aber weiterhin einmal jährlich gemäht, womit der Lebensraum für die Ziesel geeignet blieb. Seit 2014 erfasst die IGL-Marchfeldkanal jeweils im Frühjahr die vorhandenen Zieselbaue und ihre GPS Koordinaten:
Im April 2014 wurden 56 Bau-Ein- und Ausgänge gezählt, alle auf der nun verwüsteten Fläche.
Umgehung von Gesetzen – mit Billigung der Politik?
Ist also kaufen, rücksichtslos vertreiben und umwidmen lassen, inzwischen ein in Wien funktionierendes Rezept zur “Baulandverwertung” geworden? Und das unter den Augen der Stadtregierung bzw. der mitregierenden Grünen, deren Ressort für Widmungen zuständig ist? Ziesel sind europaweit strengstens geschützt, das Töten und Fangen sowie die Zerstörung ihrer Ruhe- und Fortpflanzungstätten sind streng verboten. Mutwilliges Herbeiführen eines Futtermangels um das Nest zerstört eindeutig seine Eignung als Fortpflanzungsstätte. Ein Tolerieren solcher – einen recht eindeutigen Zweck verfolgenden – unverschämten Praktiken führt jeglichen Artenschutz ad absurdum. Sieht die Politik im „Umweltmusterland“ Österreich tatenlos zu, wenn mit wohlplatzierten “landwirtschaftlichen Maßnahmen” Artenschutzgesetze ausgehebelt werden? Wie weit ist es mit der „Gemeinnützigkeit“ eines Bauträgers her, wenn er im Zuge seiner Tätigkeit unnötig wertvolles Gemeingut zerstört? Angesichts solcher Winkelzüge ist es auch gar nicht verwunderlich, dass das 2010 von der EU im Rahmen der “EU 2020 BIODIVERSITY STRATEGY“ gesetzte Ziel, innerhalb von 10 Jahren den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen, auf dem allerbesten Weg zum Scheitern ist [4].
Das „Zieselproblem“ beim Heeresspital ist der Baubranche seit 6 Jahren bekannt. Trotzdem fühlt man sich nicht bemüßigt, mit den Tieren rechtlich korrekt umzugehen. Wir verlangen eine lückenlose Aufklärung und Konsequenzen für die Verantwortlichen, sowie ein klares Bekenntnis der Stadtpolitik zum Artenschutz und damit den sofortigen Stopp solcher dreister Vorgehensweisen, deren Beispiel inzwischen immer mehr Schule macht. Das Schaffen vollendeter Tatsachen darf sich nicht mehr lohnen – der beschädigte Ziesellebensraum sowie die bisherigen Populationsdichten müssen wiederhergestellt und erhalten werden!

Machen Sie sich selbst ein Bild bei der Zieselführung am 25.6.2017, 14:00!
[1] WWF Waldbrandstudie
[2] Umweltinformationen aus dem Bescheid vom 16.11.2015 zur Zahl: 141149/2015 und den zugrunde liegenden Gutachten
[3] Artenkartierung Europäisches Ziesel und Feldhamster in Wien 21 – Heeresspital und Umgebung östlich Brünner Straße
[4] Mid-Term Assessment of Progress on the EU Biodiversity Strategy
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